Foto: Grafik/Lange

Gert Bantel aus Wendlingen hat eine besondere Frage zum Weinanbau und dem Begriff ,Semsagräbsler‘.

Stuttgart - Leser Gert Bantel aus Wendlingen hat eine besondere Frage zum Weinanbau. Er schreibt: „Der Schwabe bezeichnet einen schlecht schmeckenden Wein gerne als ,Semsagräbsler‘, und ich wüsste gerne, wieso gerade dieser Begriff hierfür verwendet wird.“ Er vermutet vom Wortlaut her „Sims“ (Fenstersims) und Insekt(?) als Grundlage.

Mit der ersten Vermutung hat unser Leser recht – der Sims spielt in gewisser Weise eine Rolle. Der Sims, auf Schwäbisch Sêms oder Sêmså, ist das Gesims, insbesondere die innere und äußere Fensterbank, befindet sich aber auch über Türen und Fenstern zum Aufstellen von Töpfen, Büchern u. a.

Der zweite Bestandteil „gräbslå“ (krebseln) heißt nicht „sich bewegen wie ein Krebs“. Diese Ansicht gehört zur so genannten Volksetymologie. Im Schwäbischen hat es die Bedeutung „auf allen vieren kriechen“ und „klettern (auch mühsam)“. Es geht zurück auf das alte Wort „kresen“ (ahd. chrësan, ë = ä), das auch als „klettern“ gebraucht wurde. In diese Familie gehört auch „kreisen“ (mittelhochdeutsch krisen), laut Fischers „Wörterbuch“ bedeutet es „kriechen, von Würmern, Insekten, auch von kleinen Kindern oder sich mühsam fortbewegenden Erwachsenen“. Im Schwäbischen wird dieses Wort mit einem „ei“ gesprochen, also greiså, es hat nichts mit dem Wort Kreis, das mit „ae“ gesprochen wird, zu tun.

Doch zurück zum Sêmsågräbsler. Ursprünglich dürfte man damit den Rebstock gemeint haben, der direkt an einem Gebäude, möglichst auf der Südseite, gepflanzt wird und dessen Triebe sich an der Wand von Sims zu Sims hoch ranken. Mit der Zeit richtete sich dieser Begriff mit spöttischem Unterton auf das Produkt, nämlich den herben Wein aus den Trauben von der Hauswand, und später generell auf schlechte Weine.

„In meiner Kindheit nannten wir die blühenden Haselnusssträucher, das heißt die ,Würstchen‘ daran ,Mähhuberle‘.“ Leserin Brigitte Feil aus Schorndorf möchte wissen, woher dieser Ausdruck stammt.

Im „Schwäbischen Wörterbuch“ erfährt man, dass ein „Mähuber“ ein Schaf ist. Auch „Huber“ bedeutet „Schaf“ mit dem Zusatz „im Haus aufgezogenes“, außerdem „Blüte der Haselnussstaude“. Dass ein Schaf „Huber“ genannt wird, geht darauf zurück, dass es nicht bei der Herde, sondern auf der Hube (= kleineres Bauerngut) großgezogen wird. Daraus entstanden auch Huberpelz und Huberstall. Die Haselnussblüten wiederum ähneln mit ihrer geschmeidigen Beschaffenheit und ihrer Farbe einem Schaffell, weshalb auch die Bezeichnungen „Hubr“ und „Mähubrle“ auf sie übertragen wurden. Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Leserin Gudrun Buchhöcker aus Remshalden. Sie schreibt: „Geboren und aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt auf der Schwäbischen Alb. Ein Bekannter meines Vaters ist in den 50er Jahren ins schwäbische Ausland – also nördlich der Mainlinie – weggezogen. Als er wieder einmal auf Heimaturlaub war, meinte er: ,Ich habe mir die hochdeutsche Sprache so angewöhnt, dass ich sie nemmer lau ka.‘“