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Leser Martin Staiger schlägt vor, einmal das Wort „dollaurad“ nach seiner Herkunft zu untersuchen.

Stuttgart - Leser Martin Staiger schlägt vor, einmal das Wort „dollaurad“ nach seiner Herkunft zu untersuchen. Um diesen Begriff erklären zu können, müssen wir ihn zuerst so notieren, wie er gesprochen wird, also dollaoråt. Wenn wir dieses Wort jetzt in seine Bestandteile „doll“ und „aoråt“ zerlegen, kommen wir schon näher an seine Bedeutung heran: „doll“ ist die schwäbische Aussprache von „toll“, und „aor“ ist die alte Form von „Ohr“ wie Aoschdårå von Ostern, raot von rot, graoß von groß u. a. Unter „dollaoråt“ und seiner zweiten Version „dollaorig/dollohrig“ versteht man somit „tollohrig“ – ein Wort, das in der deutschen Sprache nicht zu Hause ist.

Prüfen wir jetzt, was das Wort „toll“ in Zusammenhang mit „Ohr“ zu tun hat. Die ursprüngliche Bedeutung von „toll“ (ahd./mhd. tol/dol und später auch doll) liefert das Grimm‘sche Wörterbuch: „des oder wie des verstandes und bewusztseins beraubt und darnach sich geberdend: wahnsinnig, tobsüchtig, wütend, unbändig, ausgelassen leidenschaftlich, verrückt u. dergl.“. Begriffe wie Tollhaus (Narren- und Irrenhaus), Tollwut (Wutkrankheit, Raserei) und Tollkirsche (Erregung und Verwirrtheit hervorrufend) weisen noch auf diese frühe Bedeutung hin. Heute benutzt man „toll“ im Sinne von „lustig, fröhlich, bewundernswert u. ä.“ – ein gewaltiger Bedeutungswandel.

Zurück zu unserem dollaoråt. Man versteht darunter, wie es im Schwäbischen Wörterbuch heißt, „schwerhörig, taub“, aber auch „wer nicht hören und verstehen will und wer zerstreut ist“. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das Wort „taub“ von derselben Wurzel stammt wie „toben“ und dieser Begriff wiederum sinnverwandt ist mit „rasen, wüten“. Das gemeingermanische Adjektiv „taub“ (ahd. toub, doub) bedeutet im engeren Sinne „nicht hörend, gehörlos“, drückt aber im Allgemeinen ein Stumpfsein oder ein Abgestorbensein eines oder mehrerer Sinne aus, was mit „nichts empfindend, nichts denkend, stumpfsinnig, dumm“ umschrieben werden kann. Dazu gehört auch ein eingeschlafener Fuß, der wie betäubt kein Empfinden zulässt.

Eine Anmerkung nebenbei: die niederdeutsche Entsprechung des hochdeutschen (=„oberdeutschen“) „taub“ ist „doof“. Zum Schluss zum schwäbischen „Dollohre“: Es ist, spöttisch oder scheltend gemeint, der Name für einen schwerhörigen oder tauben Menschen. Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Leser Volker Grosser. Er schreibt: „Wenn ein Paar sich nach heftigem Streit wieder versöhnt hatte, galt allemal der Spruch: ,Dr fenfte Zipfel em Bett macht älles wiadr wett!‘“