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Wenn heutzutage jemand von einer anderen Person sagt „Deescht ånn Gnitzr“, dann meint er damit mit ziemlicher Sicherheit, dass dieser Mitbewohner ein spitzbübischer, pfiffiger, auch etwas durchtriebener Geselle ist.

Stuttgart - Hermann Sigler aus Wendlingen schlägt das Wörtchen „knitz“ zur Erforschung von Herkunft und Bedeutung vor, wobei man davon ausgehen kann, dass er den Sinn von „knitz“ wohl kennt, die Frage ist nur, ob den neuzeitlichen oder den überlieferten.

Wenn heutzutage jemand von einer anderen Person sagt „Deescht ånn Gnitzr“, dann meint er damit mit ziemlicher Sicherheit, dass dieser Mitbewohner ein spitzbübischer, pfiffiger, auch etwas durchtriebener Geselle ist. Mit diesen Prädikaten versehen bekommt die Person in gewisser Weise einen positiven Anstrich, man bewundert sie als jemand, der gut in die heutige Zeit passt. Doch gab es vor Jahrhunderten überhaupt schon das Wort „gnitz“?

Unser „gnitz“ geht auf den Ausdruck „kein nutz/kein nütze“ zurück, der, wie die Leser schon vermuten, „kein Nutzen“ bedeutet. Um 1600 vereinigen sich die beiden Wörter zum Adjektiv „kainnüz“ mit der Bedeutung „nichtsnützig, unnütz, unbrauchbar, nutzlos“, dann aber auch „schlimm, böse, verderbt“ (Grimm). Anton Birlinger zitiert in seinem „Schwäbisch-Augsburgischen Wörterbuch“ aus dem „Mickhauser strafbuch 1612“: „N. hat den schulmeister in Mickhausen in offner verhör an seinen eren (Ehren) angetatscht (getastet) und gesagt, er sei kainnüzer als der Judas.“

In der Schriftsprache ist „keinnütz(ig)“ ausgestorben, aber südliche Mundarten haben es bewahrt, so auch das Schwäbische, wo es in verschiedenen Sprechweisen vorkommt: khõênits(ig), khõêts(ig), khõåts(ig), khuits(ig), khõntsig u. a. Durch Verkürzung ist aus k(ein)nütz „knütz“ entstanden, schwäbisch gesprochen „gnitz“. Alle diese Formen sind vielseitig im Gebrauch, besonders bei untauglichen Gegenständen wie Bretter, Stricke, Kleiderstoffe, bei verdorbenem Obst, Kartoffeln, Fleisch u. ä. Auch bei schlechter Gesundheit von Menschen und Tieren wird „keinnütz(ig)“ in der Form „knütz“ verwendet, z. B. bei einer schleichenden, unheilbaren Krankheit wie Tuberkulose.

Im moralischen Bereich ist „keinnütz(ig)“ weit verbreitet als „nichtsnutzig, schlecht, verdorben, bösartig, heimtückisch, hinterlistig, träge, unfolgsam . . .“, wie in dem Ausdruck å khõênitser Schtrick (abgeschlagener Mensch). Auch Berthold Auerbach hat es in seinen „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ (1846) so verwendet: „schlag dir das mädchen aus dem sinn, das ist ein keinnütziges ding“. – Bei so viel negativer Verwendung ist es erstaunlich, dass „gnitz“ auch in milderem, ja sogar in nicht tadelndem Sinne wie oben erwähnt gebraucht wird – ein kaum vorstellbarer Bedeutungswandel. Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Irmgard Düll aus Schönaich: „Hopfa zopfa, Stiel dra lau. Wär’s net ka, soll’s bleiba lau.“ Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften. Schreiben Sie uns: Zentralredaktion, Postfach 10 44 52, 70039 Stuttgart, Stichwort: Schwäbisch, Fax: 07 11 / 72 05 - 73 09; E-Mail: land@stn.zgs.de

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