Das Wort „ãglotzå“ gehört zur Wortfamilie „glotzen“. Foto: StN

Aus Winnenden meldet sich Peter Friedrichsohn mit der Bitte: „Kennet-Se amòl nòchgugge, woher der Ausdruck ‚agloze‘ konnt?“ Wenn unser Leser mit dem „a“ bei „agloze“ ein „nasales a“, also ein „ã“, meint, dann dürfte seinem Wunsch nichts im Wege stehen.

Stuttgart - Aus Winnenden meldet sich Peter Friedrichsohn mit der Bitte: „Kennet-Se amòl nòchgugge, woher der Ausdruck ‚agloze‘ konnt?“ Wenn unser Leser mit dem „a“ bei „agloze“ ein „nasales a“, also ein „ã“, meint, dann dürfte seinem Wunsch nichts im Wege stehen. Nehmen wir also diese Spur auf.

Das Wort „ãglotzå“ gehört zur Wortfamilie „glotzen“. Dieses Verb ist seit der mhd. Zeit (etwa ab 1100) gebräuchlich. Es ist im germanischen Sprachbereich mit dem englischen „to gloat“ (hämisch anblicken, anstarren) und dem schwedischen „glutta“ (gucken) verwandt und gehört mit deren Wurzelform „glut“ wahrscheinlich zur indogermanischen Wurzel „ghel-“ (glänzen, schimmern). Anmerkung: Das Indogermanische geht bis auf 3500 v. Chr. zurück. Die Bedeutung von „glotzen“, nämlich „mit starren, weit aufgerissenen oder hervortretenden Augen blicken, stieren“, hat sich demnach aus „leuchten, anstrahlen“ entwickelt. Auch das Wort „Glut“ (ahd. gluot) stammt von der Wurzel „ghel-“. Nebenbei: Bei „gluot“ wird das „o“ wie der schwäbische kurze Indifferenzlaut, hier mit å geschrieben, gesprochen.

Nach Grimm blieb der Gebrauch von „glotzen“ seit dem Mittelhochdeutschen bis ins 18. Jahrhundert spärlich, erst danach „wird das Wort sprachläufig und entwicklungsfähig“. Hans Sachs (1494– 1576) hat es schon verwendet: „als sie abzüegen vom thürnier, rüechen sie all nach pier und gloczten wie die pöck.“ Mit der Zeit nahmen viele Dichter und Schriftsteller „glotzen“ in ihre Werke auf, beispielhaft werden genannt: Goethe, Grillparzer, Mörike, Rosegger. Vom zuletzt Genannten stammt das folgende Zitat: „die tiere (kühe) saszen mit hingelegten köpfen da, glotzten stier auf die laterne.“ Hier wird das Stumpfe, Ausdruckslose, das im glotzenden Sehen, insbesondere im Ãglotzå, enthalten sein kann, beschrieben.

Mundartlich ist „glotzen“ vor allem im mitteldeutschen Bereich zu Hause, Oberdeutsch nur in den westlichen und nördlichen Teilen, im Süden, also im Alpengebiet, ist es fast unbekannt. Im Hochdeutschen hat es sich bis heute gehalten. Bei uns im Schwäbischen wird „glotzen“ auch als roher Ausdruck für „blicken“ verwendet. Die Augen als Sinnesorgane können in scherzhafter oder spöttischer Weise als „Glotzer“ benannt werden: „Etz mach ao dãêne Glotzr uff!“

Noch origineller ausgedrückt sind es „Glotzbebbl“. Wenn jemand träumerisch und gedankenlos ins Weite starrt, nò hòt ånn Soddigr då Glotzr. Und was man unter einer Glotze/Glotzåde versteht, dürfte wohl kein Geheimnis sein.

Zum beliebten Wort „Walle“ (schwäbisch unter anderem für „Dackel“) erreicht uns ein Nachtrag von Karl Weeber aus Sersheim. Er schildert ein Kindheitserlebnis: „Meine Mutter hat früher wöchentlich Brot beim Bäcker gebacken. Des ,Bacha wurde bschtellt‘, und ich musste den Brotteig in den Backkörbchen ,em Leiterwägele zom Bäcker fahra ond au wieder abhola‘. Als ich kam, hob der Bäckermeister immer zum selben Spruch an: ,Älle Karle send Walle, aber net älle Walle send Karle.‘ Mir ging der Spruch ,scho a bissle uf da Wecker, aber als kloiner Bua han i mir’s verhoba, den Bäcker zom fraga, ob er no ganz bacha sei?“

Und noch eine Debbich-Geschichte. Johann Rohbarcher aus Schorndorf schreibt: „1946 kam meine Familie aus Böhmen nach Bad Mergentheim, wo ich ins Gymnasium ging. Im Sommer kündigte unser Lehrer an, dass die nächste Sportstunde im Freibad stattfindet. Jeder solle einen ,Debbich‘ mitbringen. Auf die Frage nach einem Teppich antwortete meine Mutter ,Wir sind arme Flüchtlinge und haben keine Teppiche.‘ Darauf gab sie mir eine alte Militärdecke mit und siehe da, die anderen Mitschüler hatten auch nur einen ,Debbich‘ dabei und keinen Teppich. War ich froh, kein Außenseiter zu sein!“

Der Spruch des Tages kommt von Fritz Flattich aus Wiernsheim. Er stellt „den kürzesten Dialog zweier Schwaben vor: ,Wie goht’s?‘ – ,S’goht!‘ – ,No goht’s jo!‘“ Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften. Schreiben Sie uns: Zentralredaktion, Postfach 10 44 52, 70039 Stuttgart, Stichwort: Schwäbisch, Fax: 07 11 / 72 05 - 73 09; E-Mail: land@stn.zgs.de