Lucia (Brigitte Hobmeier) am Muttstein Foto: dpa/Oliver Oppitz

Die sechsteilige ARD-Serie „Schnee“ ist eine interessante Mischung aus Mystery, Krimi und Familiendrama mit ökologischem Subtext in einer atemberaubenden Bergwelt.

Überraschend schlicht ist der Titel für diese Serie die auf geschickte Weise gleich mehrere Genres miteinander mischt – „Schnee“. Im Kern handeln die sechs Folgen von einem Familiendrama mit ökologischem Subtext, aber besonders wird die Geschichte durch die Mystery-Elemente: Weil die zehnjährige Alma unter schwerem Asthma leidet, sind die Eltern mit ihr und dem kleinen Bruder ins Heimatdorf des Vaters nach Tirol gezogen. Bereits in der ersten Nacht hat Alma die Erscheinung einer jungen Frau, die ihr einen Ring überreicht. Sie heißt Marianne und ist vor vierzig Jahren am Muttstein verunglückt. Alma weiß genau, wo der schmelzende Gletscher, dessen langsames Sterben durch allgegenwärtige Rinnsale verdeutlicht wird, die perfekt erhaltene Leiche freigibt. Ihre Mutter Lucia (Brigitte Hobmeier) ist Ärztin und besteht auf eine Obduktion, die ihren Verdacht bestätigt: Der vermeintliche Unfall war ein Mord.

Nach der ausführlichen Einführung kommt richtig Spannung auf

Die insgesamt ohnehin sehr unaufgeregt inszenierte Serie braucht allerdings einen langen Anlauf. Die ersten drei Folgen hätten sich deutlich straffer konzipieren erzählen lassen (Buch: Michaela Taschek sowie Jürgen Schlagenhof und Kathrin Richter), aber spätestens mit Almas Verschwinden am Berg entwickelt „Schnee“ große Spannung.

Die übersinnlichen Details sind vergleichsweise zurückhaltend umgesetzt (Regisseurin der Episoden eins und zwei war die ORF-„Landkrimi“ erprobte Catalina Molina), es gibt keinerlei Horroreffekte. Im Vordergrund steht zunächst die ausführliche Einführung der Figuren: Lucia und ihr Mann sind ein offenkundig glückliches Paar, dessen Beziehung später, als sich Matthi (Robert Stadlober) zwischen seinen Wurzeln und seiner Ehe entscheiden muss, in eine heftige Krise gerät.

Übersinnliche Begegnungen und Zufälle, die keine sein können

Der alte Hotelier Bruno wiederum repräsentiert den Frevel, den die Menschen an der Natur treiben: Er will die Kuppe des Muttsteins wegsprengen lassen, um mit dem Bau einer Expressgondel neue Touristen ins Dorf zu locken. Auf dieser Ebene treffen sich Ökologie und Mystery: Einer alten Sage zufolge soll eine alle paar Generationen wechselnde Hüterin der Berge dafür sorgen, dass die Menschen im Einklang mit der Natur leben; offenbar ist Alma dazu erkoren, Mariannes Nachfolge anzutreten. Als sie im Schneetreiben entschwindet, entwickelt die Serie endlich eine Dramatik auch jenseits der zwischenmenschlichen Spannungen. Nun rückt Lucia ins Zentrum der Geschichte: Endgültig rätselhaft wird die Handlung, als die Ärztin, einst ein Findelkind, bei der Autopsie die verblüffende Übereinstimmung eines körperlichen Merkmals mit Mariannes ungeborenem Baby entdeckt; und das ist zu ihrer großen Verwirrung längst nicht das einzige Detail, das ihr Schicksal mit dem der Eisleiche verknüpft. Noch mysteriöser wird es, als auch Lucia eine übersinnliche Begegnung in den Räumlichkeiten der Rechtsmedizin hat.

Sehenswert ist „Schnee“ nicht zuletzt wegen des Augenfutters: Kamerafrau Leah Striker hat ihre sorgfältige Bildgestaltung um prachtvolle Aufnahmen der Bergwelt ergänzt. Auch das Ensemble der österreichisch-deutschen Koproduktion ist gut zusammengestellt. Viele Mitwirkende mögen hierzulande kaum bekannt sein, setzen aber prägnante Akzente.

„Schnee“, ab 29. November, 22.20 Uhr, ARD und vorab in der Mediathek.