Die Verbraucherzentrale in Stuttgart Foto: Kern

Seit einem Jahr ist Betriebsklima der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vergiftet.

Stuttgart - Seit gut einem Jahr ist das Betriebsklima bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vergiftet. Vor den Arbeitsgerichten laufen zahlreiche Verfahren, Mitarbeiter kündigen. Eine Mediation brachte angeblich keine Besserung.

Schlechte Stimmung, Abmahnungen, Kündigungen: So erleben Mitarbeiter seit mehr als einem Jahr die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Angeblich können einige ihrer Chefin Beate Weiser nichts mehr recht machen. Etliche fühlen sich gemobbt, überkontrolliert, andere wurden versetzt, verabschiedeten sich in die (Früh-)Rente oder bewarben sich anderswo. Weiser, seit 2003 Vorstand, ärgert sich, dass der Konflikt öffentlich ausgetragen wird: "Mit meinen Mitarbeitern kommuniziere ich intern und nicht über die Presse."

Das hatten Betriebsrat und betroffene Mitglieder kaum anders gesehen. Erst als Briefe und Gesprächsanläufe keine Änderungen brachten, wandte sich der Betriebsrat vor einem Jahr an den Verwaltungsrat. Das Gremium aus ehrenamtlichen Mitgliedern aus Parteien und Verbänden kontrolliert den Vorstand. Doch die Betroffenen fühlen sich vom Gremium nicht genügend angehört. Als die "Schikanen" nicht endeten, ging die Gewerkschaft Verdi an die Öffentlichkeit. Hoffnung keimte im Winter auf, als Betriebsrat und Verwaltungsrat eine Mediation vereinbarten, eine Konfliktlösung mit Hilfe einer unabhängigen dritten Person. Sie lief von Januar bis Anfang April. Der Schlussbericht liegt noch nicht vor. Laut Verdi wurde sie "nahezu ohne jedes Ergebnis" beendet". Die Teilnehmer hätten eine Friedenspflicht vereinbart und keinen Kontakt zur Öffentlichkeit. Trotzdem habe Weiser eine Abmahnung nach der anderen geschrieben, sagt Verdi-Funktionär Oliver Klug. Der Konflikt gehe unverändert weiter, "vor allem vor dem Arbeitsgericht".

17 Abmahnungen sprechen Bände

"17 Abmahnungen bei 70 Mitarbeitern in den letzten acht Monaten und seit Januar elf Gerichtsverfahren mit dem Betriebsrat sprechen Bände", zählt der Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Stuttgart, Bernd Riexinger, auf. Besonders betroffen, das bestätigen unter vorgehaltener Hand auch Kollegen, sei die Versicherungsabteilung. Seit Monaten dürfe kein Brief und keine Mail ohne persönliche Kontrolle der Chefin das Haus verlassen. Verbraucher müssten wochenlang auf die Beantwortung ihrer Anfragen warten. "Mit Verdi habe ich seit mehr als einem halben Jahr keinen Kontakt mehr gehabt", entgegnet Weiser gegenüber unserer Zeitung.

Gespannt warten Betroffene und Gewerkschaft auf die Mitgliederversammlung am 3. Mai. Verdi wirft dem Verwaltungsrat weiterhin Untätigkeit vor. In einem Rundschreiben fordert die Gewerkschaft deshalb die Mitgliedsverbände der Verbraucherzentrale auf, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern.

Offenbar nutzte es auch wenig, dass sich ein Verwaltungsratsmitglied, der SPD-Landtagsabgeordnete Nikolaos Sakellariou aus Schwäbisch Hall und Anwalt mit Schwerpunkt Arbeitsrecht, stark für Gespräche und eine Mediation einsetzt. Das zeigen interne Briefe und Geständnisse, die unserer Redaktion vorliegen. Schon im August 2010 hatten 26 Kollegen den Verwaltungsrat über das herrschende Misstrauen und die Verunsicherung informiert. Im November 2010 startete Verdi einen ersten öffentlichen Hilferuf, Ende Januar folgte ein interner der Verdi-Betriebsgruppe an den Verwaltungsrat, Titel: "Noch mehr Abmahnungen gegen Mitarbeiter der Verbraucherzentrale". "Immer mehr Kolleginnen und Kollegen verlieren die Freude an ihrer Arbeit - Gift für einen Verein, der nur mit einer engagierten Belegschaft erfolgreich arbeiten kann." Im Februar 2011 erhielten Kollegen, Mitgliedsvereine, Beirat und Verwaltungsratsmitglieder erneut einen Brief, diesmal von einer Mitarbeiterin, die gekündigt hatte. Darin drückt sie unter anderem ihre Enttäuschung über die inhaltliche Ausrichtung des Vereins aus. Weiser und der für Verbraucherpolitik zuständige Kollege, Eckhard Benner, favorisierten eine "anbieterfokussierte" Beratung, die Belegschaft eine praxisorientierte. Anbieterfokussiert - das heißt: Die Beratung ist eine Art Stoffsammlung für verbraucherpolitische Forderungen. Mitarbeiter befürchten, dass dadurch die Zahl der Beratungen zurückgehe. Auch sehen sie eine schleichende Unterwanderung der Vereinssatzung, in der die individuelle Beratung im Mittelpunkt steht.

Die besten Köpfe werden gehen

Enttäuscht bis resigniert sind auch Mitarbeiter, die nicht direkt im Konflikt mit Weiser sind. Der mit ehrenamtlichen Vertretern von CDU, FDP und SPD sowie des Mietervereins und des Landfrauenverbandes besetzte Verwaltungsrat gehe nicht den von der Gewerkschaft erhobenen Vorwürfen nach, beschwert sich ein Berater und folgert verbittert: "Die Mitglieder nutzen ihr Mandat als Aushängeschild nach außen." Der gute Name der Verbraucherzentrale strahle schließlich auf ihr Ehrenamt ab. "In nächster Zeit werden die besten Köpfe den Verein verlassen", befürchtet er. "Wer eine Alternative hat, wird gehen."

Bilanz laut Verdi: Derzeit seien allein elf Klagen über Nichteinhaltung des Betriebsverfassungsgesetzes vor dem Arbeitsgericht anhängig. Binnen eines guten Jahres hätten fünf von neun Referenten gekündigt, zudem eine Reihe Beraterinnen. Nun sind alle auf den 3. Mai gespannt. Die Mitgliederverbände sind das letzte Kontrollorgan der Verbraucherschützer, und sie haben Stimmrecht. "Ich hoffe, dass zumindest kritische Fragen kommen", verrät eine Mitarbeiterin. Nach Angaben der Verwaltungsratsvorsitzenden Bärbl Maushart kommt der Konflikt im Bericht zur Sprache.