Kundin vor dem Supermarktregal: Marken- oder Billigartikel? Foto: dpa

Endlich haben auch die Verbraucher die Finanzkrise verdaut. Nach Jahren, in denen ihnen die Produktqualität nicht so wichtig war, greifen sie nun zu Marken-Lebensmitteln, sagt eine neue Studie. Das bedeutet aber nicht, dass die Konsumenten Lebensmittel mehr wertschätzen, meint Wirtschaftsredakteur Walther Rosenberger.

Stuttgart/Göttingen - Die allgemein gute wirtschaftliche Lage scheint nun auch in Deutschlands Küchen angekommen zu sein. Erstmals seit dem Jahr 2009 ist der Anteil von Marken-Produkten im Einzelhandel nach einer aktuellen Studie der Marktforschungsgesellschaft GfK im Jahr 2015 wieder angestiegen. Im Lebensmittelgeschäft vor die Wahl gestellt, greift Otto Normalverbraucher also zielstrebiger als früher zum Bahlsen-Keks, zur Colgate-Zahnpasta oder zum Regio-Bier und lässt die Eigenmarken der großen Supermärkte links liegen.

Was aber bedeutet das? Ist der Verbraucher plötzlich auf den Trichter gekommen, dass Geiz doch nicht immer geil ist? Bei solch einer Deutung der Studienergebnisse ist Vorsicht angebracht. Zunächst einmal ist – statistisch betrachtet – der Geiz-ist-Geil-Trend schon seit über einem Jahrzehnt beendet. Seit etwa dem Jahr 2003 achten Verbraucher nach eigenen Aussagen beim Einkaufen immer mehr auf die Qualität und immer weniger auf den Preis von Produkten. Die Entwicklung weist eine verblüffende Konstanz auf. Selbst in den Jahren nach der Wirtschafts- und Finanzkrise gaben immer mehr Deutsche in Befragungen hartnäckig an, auf Qualität zu achten. Das zumindest legen Studien der renommierten Agrarmarktforschung der Universität Göttingen nahe. Die Frage ist nur: Was hat diesen Trend ausgelöst?

Natürlich ist Deutschland ein reiches Land. Einem Großteil der Bürger sitzt das Geld locker. Niedrige Zinsen, geringe Inflation und in vielen Tarifbranchen satte Lohnsteigerungen haben dazu geführt, dass Konsum en Vogue ist. Von diesem allgemeinen Trend, der sich zuvorderst im Konsum von Flachbildschirmen, Smartphones und Nobelkarossen niederschlägt, bekommt auch die Lebensmittelwirtschaft ein paar Krümel ab. Markenwaren zu kaufen, zählt wieder was. Andererseits verharrt der Anteil an den Konsumausgaben, den die Bundesbürger für Lebensmittel ausgeben, seit Jahren irgendwo zwischen 11 und 12 Prozent.

Ist den Menschen – zumindest anteilig – das Essen also doch nicht mehr Wert? Viel spricht für diese These, denn Markenwaren sind in den vergangenen Jahren vor allem eines: Billiger geworden. Insbesondere durch die Strategie von Discountern wie Lidl und Aldi, ihre Eigenmarken-Produkte durch renommierte Marken-Waren zu ergänzen, sind die Preise gepurzelt. Wenn ein Liter Coca-Cola für 65 Cent zu haben ist und die Schwarzwald-Milch nicht mal einen Euro kostet, lohnt der Griff zum noch günstigeren No-Name-Produkt tatsächlich nicht mehr so recht.

Dazu passt, dass der Anteil der Verbraucher, die sich für Bio-Produkte, die heute auch zum Großteil im Discount-Bereich über die Theken gehen, entscheiden, zwar steigt. Im echten Kern-Markt der Biolebensmittel, tut sich aber wenig. Wer etwa regional hergestellte Fleischerzeugnisse kaufen will, bei deren Produktion das Tierwohl im Vordergrund stand, zahlt dafür rund doppelt soviel wie fürs Normalo-Schnitzel. Trotz eines zunächst hohen Interesses der Verbraucher im Tierschutz, kauft nur ein einstelliger Prozentsatz der Deutschen so ein. Das heißt: Wenn es zum Schwur kommt, siegt das Preisbewusstsein bei den allermeisten also doch. Geiz? Ein bisschen geil ist er eben immer noch.