Mit Fotos von Wunden am Körper seines dreijährigen Kindes bringen Erzieherinnen einen 30-jährigen Vater vor Gericht.
Ludwigsburg - Blaue Flecken und Schürfwunden am Rücken, weitere Hämatome am Hals und im Gesicht, eine große Brandwunde am Po – gleich eine Vielzahl an Verletzungen entdeckten die Kindergarten-Erzieherinnen in Remseck im Oktober 2016 am Körper eines Jungen, gerade einmal drei Jahre alt. Weil sie einen Missbrauch vermuteten, machten sie Bilder von den frischen Wunden – und brachten den Vater damit jetzt vor das Ludwigsburger Amtsgericht. Seit Dienstag muss sich der 30-Jährige wegen Misshandlung eines Schutzbefohlenen und schwerer Körperverletzung verantworten.
Erzieherinnen entdecken Wunden, weil der Dreijährige noch gewickelt werden muss
Das Ausmaß der Verwundungen erkannten die Erzieherinnen, weil der Dreijährige noch gewickelt werden musste. Zuvor hatte ihn der Vater zwei Tage krank gemeldet – was er vor Gericht bestätigt, während er alle anderen Vorwürfe abstreitet. Er habe den Jungen nie geschlagen, sagt er. Die Brandwunde stamme vielleicht von seiner Frau, die das Kind betreut habe, wenn er zur Spätschicht gegangen sei. Die Hämatome und Schürfwunden seien bei einem Treppensturz entstanden.
Der Angeklagte behauptet, der Unfall sei geschehen, als er mit seinem Sohn und dessen damals einjähriger Schwester in Remseck unterwegs gewesen sei. An einer engen Treppe habe er den Kinderwagen mit seiner Tochter hochgezogen und seinen Sohn gebeten, unten zu warten. Das habe der Junge aber nicht gemacht, und plötzlich sei er rückwärts die Treppe hinuntergefallen. „Er schaut nicht, wo er hinläuft, rennt ständig irgendwo dagegen, fällt oft“, sagt der Vater.
Erzieherin: „Er hat eine verzögerte Entwicklung“
Die Erzieherinnen bestätigen die auffälligen motorischen Störungen des Jungen. „Er hat eine verzögerte Entwicklung“, berichtet eine Kindergarten-Mitarbeiterin vor Gericht. Nachdem man die Wunden entdeckt hatte, habe eine Kollegin den Dreijährigen gefragt, ob sein Vater ihn schlage. Dieser habe bejaht und auf die blauen Flecken an seinem Arm gezeigt.
Dass der Mann tatsächlich zugeschlagen hat, ist dennoch schwer nachzuweisen. Seine Frau sagt aus, sie habe dies nie gesehen. Sie habe lediglich mitbekommen, dass er ihren Sohn mal am Ohr gezogen habe, bis dort ein blauer Fleck zurückblieb. Merkwürdig ist indes, dass die Mutter die Hinweise lange ignorierte. Denn der Kindergarten wandte sich mit den Fotos zunächst an sie und forderte die 27-Jährige auf, die Wunden ihres Sohns von einem Arzt behandeln zu lassen. Dem kam sie erst drei Wochen später nach – als die Verletzungen weitgehend verheilt waren.
Flecken an Hals und im Gesicht lassen eine Strangulation vermuten
Erst als der Kindergarten auch dem Arzt die Fotos schickte, informierte dieser das Jugendamt – das daraufhin entschied, den Eltern beide Kinder zu entziehen und die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Von November 2016 bis März 2017 lebten die Geschwister bei einer Pflegefamilie, kamen dann aber wieder in die Obhut ihrer leiblichen Eltern. Kürzlich allerdings entdeckte ein Kinderarzt erneut rote Flecken am Hals und im Gesicht des Jungen, die Ursache ist unklar. „Es kann sich um Petechien handeln“, erklärt die Amtsärztin vor Gericht – kleine geplatzte Äderchen, die zum Beispiel nach einer Strangulation entstehen.
Außerdem geht die Medizinerin davon aus, dass es sich bei den meisten Verletzungen, die auf den älteren Fotos zu sehen seien, um Folgen einer Misshandlung handle. Teilweise könnten diese aber auch, wie vom Vater angegeben, von einem Treppensturz herrühren. Die Wunde am Po, so die Ärztin, deute darauf hin, dass der Dreijährige mit einem heißen Gegenstand misshandelt wurde, etwa mit einem Bügeleisen. „So was haben wir gar nicht zuhause“, sagt dazu der Angeklagte, der bereits wegen eines anderen Vergehens mehr als ein Jahr im Gefängnis verbracht hat. Außerdem gab er zu, eine zeitlang Probleme mit Drogen und Alkohol gehabt zu haben. Die Kinder leben inzwischen wieder in einer Pflegefamilie. Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt, dann werden weitere Zeugen gehört.