Andreas Schwarz, Mitglied der Geschäftsführung der Rentenversicherung Baden-Württemberg: Im Modell des Vorsorgekontos steckt viel Hirnschmalz. Foto: DRV Baden-Württemberg

Die Riester-Rente sollte helfen, die Einschnitte bei künftigen Renten auszugleichen. Doch das Konzept gilt als gescheitert. Ein neuer großer Wurf muss her, sagt die Rentenversicherung Baden-Württemberg. Sie meint damit nicht die Deutschlandrente.

Stuttgart - Seit die drei hessischen Minister im Dezember ihr Konzept einer Deutschlandrente publik gemacht haben, ist auch die Rentenversicherung Baden-Württemberg mit ihrem Vorsorgekonto wieder in den Fokus gerückt. Auf den ersten Blick geht es im Kern um dasselbe – um eine kostengünstige Zusatzvorsorge, die von der gesetzlichen Rentenversicherung verwaltet werden soll. Doch während die Deutschlandrente noch längst kein fertiges Konzept ist, sondern mehr „ein Denkanstoß“, wie Finanzexperte Niels Nauhauser sagt, ist das Vorsorgekonto schon einen großen Schritt weiter.

„Im Modell des Vorsorgekontos steckt viel Hirnschmalz“, sagt Andreas Schwarz, Mitglied der Geschäftsführung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. „Wir wissen heute, dass es rechtlich machbar und finanzierbar ist.“ Die Deutschlandrente hält er dagegen für einen „politischen Luftballon“, der mehr Fragen als Antworten hinterlasse.

Das Vorsorgekonto richtet sich vor allem an all jene, die sich durch die Riester-Angebote nicht angesprochen fühlen. „Das Konzept der Riester-Rente ist gescheitert“, sagt Schwarz. Die Zahlen geben ihm recht. Von den weit mehr als 30 Millionen, die eine staatliche Riester-Förderung beanspruchen könnten, haben nur gut 16 Millionen einen Riester-Vertrag abgeschlossen. „Nur 6,4 Millionen erhalten die volle Förderung“, sagt Rentenexpertin Claudia Tuchscherer.

Mittlere Einkommensschichten sind verunsichert

Eine große Verunsicherung gegenüber der staatlich geförderten Riester-Rente machen die Rentenexperten gerade bei mittleren Einkommensschichten aus, die vorsorgen könnten. „Statt mit Riester fürs Alter zu sparen, schaffen sich viele Menschen neue Möbel an, kaufen einen neuen Fernseher, gehen in Urlaub oder stecken – was grundsätzlich nicht verkehrt ist – das Geld lieber in die Ausbildung ihrer Kinder“, sagt Schwarz.

Doch private Vorsorge ist geboten. Denn mit der gesetzlichen Rente allein dürfte es künftig knapp werden, wenn die vor Jahren beschlossenen Rentenkürzungen so richtig durchschlagen. Momentan spüren die Menschen die Einschnitte noch nicht sehr. „Wenn man in der Badewanne sitzt und der Kaltwasserhahn tropft, merkt man das auch nicht sofort“, sagt Schwarz, „doch irgendwann sitzt man im kalten Wasser.“ Das Schicksalsjahr der Rentenversicherung sei 2020. Wenn die Babyboomer anfangen, in Rente zu gehen, kommen die demografischen Komponenten erst so richtig in Bewegung. Um den Anstieg des Beitragssatzes auf 22 Prozent zu begrenzen, wird das Rentenniveau weiter abgesenkt – von 2000 bis 2030 wird es um 20 Prozent fallen. 2030 dürfte das Netto-Rentenniveau vor Steuern nur noch 43 Prozent betragen. Das bedeutet: Wer 45 Jahre immer durchschnittlich verdient hat, erhält eine Rente, die nur noch 43 Prozent seines bisherigen Nettoverdiensts entspricht – ohne Berücksichtigung seiner Steuerbelastung.

Mit einem Riester-Vertrag sollten die auf den Weg gebrachten Einschnitte bei der Rentenversicherung ausgeglichen werden können. „Als die Riester-Angebote 2001 auf den Markt kamen, war die allgemeine Erwartung, dass vier Prozent Verzinsung immer drin sind“, sagt Schwarz. Ein Trugschluss, wie das gegenwärtige Zinsumfeld zeigt. Mit dem wenigen, was heute abgeschlossene Riester-Verträge an Rendite bringen, lässt sich die Absenkung des Rentenniveaus nicht einmal annäherungsweise ausgleichen.

Die Idee hinter dem Vorsorgekonto

Schwarz fordert deshalb: „Wir brauchen einen neuen großen Wurf – spätestens nach der Bundestagswahl.“

Die Idee hinter dem Vorsorgekonto: Mit dem angesparten Betrag können Versicherte, die früher in Rente gehen wollen, Abschläge zurückkaufen. Der Sparbetrag kann aber auch als zusätzliche Rente verwendet werden. Mit dem Vorsorgekonto, sagt Schwarz, könne man „ehrlicherweise auch keine Spitzen-Rendite versprechen“. Die Rücklagen der Rentenversicherung werden sehr sicher nach strengen gesetzlichen Kriterien angelegt zu aktuell sehr niedrigen Zinsen. Bei der Anlage der Gelder aus dem Vorsorgekonto soll das Anlagespektrum weiter gefasst werden und auch Fonds einbeziehen. Dennoch werde „der Kapitalerhalt garantiert“, so Tuchscherer.

Bedenken, die der gesetzlichen Rentenversicherung das notwendige Know-how in der Geldanlage absprechen, tritt Schwarz entgegen: „Wir wollen gar nicht selbst Fondsmanager werden. Diese Leistung kaufen wir am Markt bei den Profis ein.“ Da es um hohe Anlagesummen gehe, sei das zu günstigen Konditionen möglich.

Das Vorsorgekonto setzt einen Vergleichsmaßstab

„Genau die Kosten sind der Punkt“, sagt Schwarz, „an dem die Idee des Vorsorgekontos der privaten Versicherungswirtschaft richtig wehtut.“ Es setze hier einen nachvollziehbaren Vergleichsmaßstab. Damit könne jeder sehen, ob der Riester-Vertrag teurer oder günstiger ist. „Davor haben viele Riester-Anbieter große Angst“, sagt Schwarz. „Wenn wir mit dem Vorsorgekonto der Stachel im Fleisch der privaten Anbieter sind, ist das gut so“, sagt Schwarz. „Wenn darüber auch noch die Kosten für die Verbraucher kräftig sinken, haben wir ein wichtiges Ziel erreicht.“

Skeptiker argwöhnen, dass Konzepte wie Vorsorgekonto oder Deutschlandrente in staatlicher Hand die Begehrlichkeiten der Politik wecken. „Diese Sorge teile ich sehr“, räumt Schwarz offen ein. Die Erfahrung belege, wenn die Kassenlage gut sei, hätten Politiker immer eine Idee, was sich aus Versicherungsgeldern finanzieren ließe. Das Kapital der Vorsorgekonten soll deshalb streng vom Vermögen der gesetzlichen Rentenversicherung getrennt werden, „um es vor dem politischen Zugriff zu schützen“, erklärt Tuchscherer.

Mit dem Modell des Vorsorgekontos soll auch das Risiko der Erwerbsminderung abgesichert werden. Wer wegen Unfalls oder Krankheit vorzeitig in Rente geht, wird mit Abschlägen bis zu 10,8 Prozent belastet. Die Erwerbsminderungsrente ist häufig so niedrig, dass Grundsicherung beantragt werden muss. Hier soll das Vorsorgekonto über einen Ausgleich der Abschläge die Not lindern. Die Überlegung ist, dass „diese Ausgleichszahlung solidarisch von allen Vorsorgesparern mitfinanziert wird“, sagt Tuchscherer.