Grüner Diesel, das wäre doch was. Deutsche Autoingenieure hoffen auf den neuen Kraftstoff. Foto: dpa-Zentralbild

Ein synthetisch hergestellter Kraftstoff könnte eine Konkurrenz zum Elektroantrieb werden. Er wurde in Norwegen entwickelt.

Frankfurt - Die deutschen Auto-Ingenieure haben sich noch nie so richtig für eine rein elektrische Antriebsart für die Fahrzeuge der Zukunft begeistern können. Daher kommt ihnen nun eine Initiative, die ausgerechnet aus dem nicht unbedingt als Autoproduktionsland bekannten Norwegen kommt, gerade Recht.

Die Pläne für den Aufbau einer breit angelegten Produktion synthetischer Kraftstoffe in Norwegen sollte Deutschland Fingerzeig sein, meint der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann. Der nur von Deutschen als „Wunder-Diesel“ bezeichnete Kraftstoff ist auch in Deutschland schon länger Gegenstand von Forschung und Entwicklung, es gibt bereits zwei kleine Fabriken. Die Aktivitäten rund um den synthetischen Treibstoff gelte es auszubauen, denn sie böten Chancen für den Innovationsstandort Deutschland, betont der VDA.

Die erdölunabhängigen „E-Fuels“ könnten zusätzlich zu alternativen Antrieben eine weitere Option für eine klimaneutrale Mobilität der Zukunft sein. Wenn die Entwicklung hier weiter voranschreiten würde und die Kosten bei der Herstellung sinken, könnten synthetische Kraftstoffe künftig eine CO2-neutrale Mobilität beim Verbrennungsmotor sicherstellen, weil diese Kraftstoffe bei ihrer Produktion genau so viel Kohlendioxid binden, wie sie bei ihrer Verbrennung abgeben, meint der Automobilverband. „Dazu kommt: Weil sie mit der bisherigen Infrastruktur und Motorengeneration kompatibel sind, wirken die E-Fuels direkt im Bestand und damit deutlich schneller als eine Flottenerneuerung durch Elektrofahrzeuge.“

Beim Wandel weg vom Verbrennungsmotor spielt auch das Thema Jobs eine wichtige Rolle. Der elektrische Antriebsstrang wird auch deshalb kritisch beäugt, weil das Ende des Verbrennungsmotors viele Arbeitsplätze gefährden könnte. Warum das so ist, sehen Sie im Video:

Image der Verbrennungsmotoren leidet

Seit Monaten geht es für Dieselfahrzeuge bergab. Abgasskandal, Fahrverbote und Nachrüstungen für Autofahrer haben das Image des Verbrennungsmotors beschädigt. Zuletzt kündigte Volvo den Ausstieg aus der Technik an. Dennoch kommt die vermeintliche Rettung des Verbrennungsmotors ausgerechnet aus einem Land, in dem die Regierung bereits den Ausstieg beschlossen hat, von 2025 an ist in dem nordischen Land die Produktion von Neuwagen verboten, die ausschließlich auf Verbrennungsmotoren setzen. „Wir haben schon mit Konstruktionsarbeiten begonnen“, erklärte Nordic-Blue-Crude-Chef Gunnar Holen dem Manager-Magazin. Zunächst will das Unternehmen 70 bis 80 Millionen Euro in eine Fabrik im südnorwegischen Porsgrunn stecken. Zentraler Partner ist die sächsische Firma Sunfire, die bereits eine kleine Produktion in Dresden betreibt.

Eine kurzfristige Lösung für die Dieselkrise stellt der neue norwegische Treibstoff aber nicht dar. Denn die Anlage in Südnorwegen nimmt erst von 2020 an ihre Arbeit auf. Dort sollen zunächst zehn Millionen Liter in Produktion gehen – diese Menge reicht in etwa für 13 000 Autos. „Als nächsten Schritt planen wir zehn derartige Fabriken“, sagte Holen. Eine Milliarde Liter sollen dann pro Jahr aus Norwegen kommen. Sollten sich die Mengen wie erwartet stetig erhöhen, könnten die Kosten für einen Liter „Wunder-Diesel“ gegenüber dem heutigen Kraftstoff halbiert werden.

In der Autoindustrie hofft man darauf, dass der Sensations-Treibstoff den Durchbruch schafft. „Wenn synthetische Kraftstoffe kommen, können wir die Plugin-Hybride abschalten“, meint der Chef der Audi-Antriebsentwicklung, Nikolai Ardey. Bessere Abgasreinigungssysteme werden auch mit dem Wunderdiesel nötig sein – auch wenn der norwegische Treibstoff zehn bis 20 Prozent weniger Stickoxid und Feinstaub als der klassische Diesel ausstößt.

Zehn Fakten zum Thema Feinstaub in unserem Video-Überblick:

Ende des Kraftstoffs in etwa 20 Jahren

Auch für die Ölindustrie ist der synthetische Kraftstoff interessant. Sie könnten in etwa 20 Jahren den Kraftstoffmarkt bedienen, heißt es in der Branche. Peter Kasten vom Öko-Institut dagegen mahnt: E-Fuels können aus seiner Sicht unter ökonomischen Gesichtspunkten erst nach dem Jahr 2030 interessant werden, wenn die erneuerbaren Energien hierzulande und anderswo einen Anteil von 60 Prozent und mehr am Strommix hätten. Dann erst falle billiger Überschussstrom in der benötigten Menge und Häufigkeit an. Kasten hält daher weitere Forschungen für nötig. Dies gelte auch für Anwendungen über die Autoindustrie hinaus. Die großen Vorteile von synthetischem Sprit seien seine hohe Energiedichte und die gute Transportierbarkeit. Das prädestiniere ihn für zwei wichtige Einsatzfelder: für den Flugverkehr und die Seeschifffahrt.

Audi bietet bereits Autos mit Gasantrieb an und erzeugt seit 2013 im niedersächsischen Werlte E-Gas mittels Windstrom. Der Konzern speist dort genauso viel des flüchtigen Öko-Treibstoffs ins Gasnetz, wie die verkaufte Fahrzeugflotte insgesamt an Erdgas verbraucht. So können die Besitzer eines gasgetriebenen Audis rein rechnerisch klimaneutral fahren.