Foto: Zdf/Thomas K. Schumann

Die Erfolgsquote von "Aktenzeichen XY... ungelöst" kann sich sehen lassen. 42 Prozent aller ausgestrahlten Fälle werden geklärt. Der Polizei in der Region Stuttgart konnten die TV-Fahnder 2009 aber bei drei Morden nicht helfen.

Stuttgart - Die Erfolgsquote von "Aktenzeichen XY... ungelöst" kann sich sehen lassen. 42 Prozent aller im ZDF ausgestrahlten Fälle werden geklärt. Bei Tötungsdelikten sind es 37 Prozent. Der Polizei in der Region Stuttgart konnten die TV-Fahnder im abgelaufenen Jahr aber bei drei Morden nicht entscheidend helfen.

Für Ermittler ist die Fernsehsendung so etwas wie die letzte Hoffnung. Vor allem dann, wenn es sich um Verbrechen handelt, die Jahrzehnte zurückliegen. Zwei solcher Altfälle hat die XY-Redaktion 2009 aufgegriffen. Und zum zweiten Mal den Mord an der Prostituierten, die im März 2008 in Stuttgart erstochen wurde. Die Kripoleute bekamen etliche Hinweise, die heiße Spur aber war nicht dabei. Die Suche nach den Tätern geht weiter.

Tramperin erstochen

Sie kam aus Aalen-Unterkochen und wollte zu ihrem Ex-Freund nach Calw, doch ihr Lebensweg endete im Wald bei Magstadt (Kreis Böblingen): Angelika Steudle ist in der Nacht zum 15. April 1986 vergewaltigt und erstochen worden. Die Anhalterin war mit mehreren Autofahrern sicher bis Ludwigsburg gekommen. Dort, in der Nähe der Bärenwiese und des damaligen Straßenstrichs, soll sie gegen 22 Uhr in einen weißen Mercedes gestiegen sein. Das Auto und sein Besitzer wurden nie gefunden. Die Polizei geht davon aus, dass die 17-Jährige in Ludwigsburg ihrem Mörder begegnet ist.

"Aktenzeichen XY" hat den Ermittlern in Böblingen 40 überprüfenswerte Hinweise gebracht. Die meisten betrafen den Mercedes und sind inzwischen abgearbeitet. Eine Spur ist aber noch offen. "Wir haben Interpol eingeschaltet", sagt ein Polizeisprecher. Es geht um mehrere Personen, die damals in Ludwigsburg gewesen sein sollen und sich inzwischen im Ausland aufhalten. Der Sprecher bezeichnet die Spur jedoch als "vage".

Geklärt wurde durch die Sendung im September jedoch die Herkunft eines 60 Kilogramm schweren Granitsteins mit vielfach deutbaren asiatischen Schriftzeichen, darunter "kein Friede" oder "keine Gerechtigkeit". Polizisten hatten den Stein kurz vor Angelikas 23. Todestag am Tatort gefunden. Er hat mit dem Mord nichts zu tun. Eine Frau hat die frühere Zierde ihres chinesischen Gartens beim Umzug von Magstadt in den Rems-Murr-Kreis im Wald entsorgt.

Hausfrau stranguliert

Gertrud Schneider hat am Abend des 22. April 1988 mit Freunden und Bekannten ausgiebig ihren 55. Geburtstag gefeiert. Sie ist reichlich angetrunken, als sie gegen 23.30 Uhr das "Hasenheim" in Hochdorf (Kreis Esslingen) verlässt. Auf der Heimfahrt nach Reichenbach an der Fils kommt es zum Streit mit ihrem Lebensgefährten. Die Hausfrau steigt am Ortseingang aus dem Auto, geht zu Fuß weiter. Tags darauf wird ihre Leiche auf einer Wiese gefunden. Gertrud Schneider wurde stranguliert, möglicherweise mit ihrem eigenen Halstuch.

Die Polizei hat eine DNA-Spur, die sie dem Täter zuordnet. Und sie hat eine Zeugin, die in der Nacht gegen 1 Uhr in Tatortnähe einen 18 bis 20 Jahre alten Motorradfahrer auf einer roten Geländemaschine gesehen hat. Das Motorrad könnte eine Honda MTX 80 gewesen sein.

16 Hinweise gingen nach der Sendung im Oktober ein. Die meisten betrafen Männer, die vor 21 Jahren ein auf die Beschreibung passendes Motorrad hatten, erklärt ein Polizeisprecher. Die Ermittler haben deshalb mehrere Männer zum Speicheltest gebeten. Die Untersuchungsergebnisse liegen teils noch nicht vor. "Das dauert ein bisschen", heißt es bei der Esslinger Polizei. Altfälle hätten beim Landeskriminalamt nicht die höchste Priorität. Schon früher wurden 130 DNA-Proben von möglichen Tätern genommen. Der Abgleich war durchweg negativ.

Prostituierte überfallen

Sie nannte sich Lina, und ihr Mörder war ein vermeintlicher Freier: Die 31-Jährige ist am Vormittag des 22. März 2008 in einer sogenannten Terminwohnung an der Immenhofer Straße in Stuttgart überfallen und erstochen worden. "Aktenzeichen XY" hat schon zwei Wochen später nach dem Mörder gefahndet, im Juni 2009 wurde der Fall als Film gezeigt. "Wir haben 15 interessante Hinweise auf mögliche Täter bekommen und DNA-Proben genommen", so eine Polizeisprecherin. Die Ergebnisse liegen vor: "Es ist nichts dabei herausgekommen."

Dabei hat die Polizei jede Menge Spuren. Sie hat die Tatwaffe, sie hat DNA gesichert, und sie hat sogar ein Video, das den Mörder zeigt. Was sie nicht hat, ist das Motiv.

Lina ist die Rumänin Alina Grosu. Eine alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern, die erst wenige Wochen vor ihrem Tod nach Deutschland gekommen ist, um im ältesten Gewerbe der Welt Geld zu verdienen. Erst in Karlsruhe, dann in Stuttgart. Im Flur der Wohnung hängt eine Webcam, die den Eingangsbereich überwacht. Der Mörder nimmt sie mit. Doch die Kamera hat bereits Bilder auf einen Computer übertragen.

Die 31-Jährige öffnet dem vermeintlichen Kunden um 11.23 Uhr die Tür. Der etwa 1,90 Meter große und 20 bis 35 Jahre alte Mann fällt über die Frau her und tötet sie mit mehreren Messerstichen. Erst danach schließt er die Wohnungstür - und wäscht im Bad seine Hände. Er verschwindet mit der Webcam "AXIS 205", einem WLAN-Modem und einem Internet-Splitter. Zurück bleibt die Tatwaffe, ein 25 Zentimeter langes Küchenmesser aus Massenproduktion. Auf der Klinge ist "Koch Messer" eingraviert. Der Mörder hat mindestens Schuhgröße 47. Seine Frisur, ein Pagenschnitt, ist auffällig, doch vielleicht trug er eine Perücke. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat für den entscheidenden Hinweis eine Belohnung von 2000 Euro ausgesetzt.