Lothar Maier (links) am Wahlkampfstand der AfD in Freiberg Foto: Lichtgut/Willikonsky

Ein AfD-Mann, der syrischen Flüchtlingen einen Sonderstatus einräumen will? Lothar Maier passt nicht so recht ins Klischee vom Rechtspopulisten. Der 73-Jährige agiert in der Regel diplomatisch und wägt seine Worte gründlich. Doch der Bundestagskandidat, der nicht immer auf Parteilinie liegt, kann auch anders.

Stuttgart - Fast unbemerkt steht der silberhaarige ältere Herr mit dem charakteristischen braunen Schnauzer am Eingang des Kaufparks in Stuttgart-Freiberg. „Guten Tag, ich bin Ihr Bundestagskandidat, Sie können mich wählen“, sagt Lothar Maier und lächelt freundlich. Der 73-Jährige, im badischen Wolfach geborene AfD-Fraktionssprecher im Stuttgarter Gemeinderatbewirbt sich im Wahlkreis Stuttgart II erstmalig für ein Bundestagsmandat – und dürfte dem nächsten deutschen Bundestag so gut wie sicher angehören: Maier ist auf Platz 2 der Landesliste seiner Partei abgesichert, falls die AfD die Fünf-Prozent-Hürde überspringt. Daran besteht kaum Zweifel.

„Die Leute kommen von selbst auf einen zu“, beschreibt Maier seine bisherigen Erfahrungen im Wahlkampf. Prompt bleibt die erste Bürgerin stehen und klagt ihm ihr Leid: „Ich trau mich in der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße, und meine Tochter ist schon ein paarmal von sogenannten Kulturbereicherern begrapscht worden“, behauptet sie. Ressentiments gegen Flüchtlinge, das hat die AfD – neben der Kritik an der Euro-Rettung – stark gemacht. Aber Maier schlachtet die Steilvorlage nicht aus. Er erkundigt sich nur, wo das passiert sei und ob die Frau Anzeige erstattet habe.

Maier hat eine Zeit lang in Syrien verbracht und kennt die Verhältnisse dort

Überhaupt passt der pensionierte Hochschullehrer und Verbraucherschutzexperte auf den ersten Blick so gar nicht in das Klischee des Rechtspopulisten: Der frühere Waldorfschüler und Ex-Sozialdemokrat fällt im Gegensatz zu manchem Parteifreund im Rathaus nicht durch schrille, nationalchauvinistische Töne auf. Doch der studierte Politikwissenschaftler, Historiker und Soziologe kann auch anders: So sprach er im August bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD im Kursaal von der „Umformung der Deutschen zu einem anderen Volk“. Doch normalerweise agiert der stoisch wirkende Kandidat eher zurückgenommen – und liegt auch nicht immer auf Parteilinie. Bei einer Podiumsdiskussion in Feuerbach etwa betonte er gleich mehrfach, dass er etwa das AfD-Programm in puncto Ehe für alle oder beim Klimaschutz für „diskussionsfähig“ halte. Aus dem Klimaschutzabkommen auszusteigen halte er „nur im europäischen Konsens“ für machbar. Beim Flüchtlingsthema weiß Maier im Gegensatz zu manchem AfD-Parteifreund immerhin, wovon er redet: Er selbst war als Verbraucherschützer unter anderem in Syrien, hat dort sogar eine Zeit lang gelebt. Die Bilder der zerstörten Städte lassen in ihm Erinnerungen an diese Zeit hochkommen. „Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge haben für mich einen Sonderstatus“, sagt der Bewerber. Nicht jeder seiner potenziellen Wähler in Freiberg sieht das so differenziert. Da werden Flüchtlinge schon mal pauschal als „Dreckspack“ bezeichnet.

Nazis in der AfD will der Kandidat nicht dulden

Aber auch Maier will die Zuwanderung stoppen: Man müsse vor allem die finanziellen Anreize reduzieren: „Wir geben da bares Geld in einem Umfang, der für einen Afrikaner schon einen großen Reiz ausübt.“ Gleiches gelte für die medizinischen Leistungen und die Unterbringung. Zudem kritisiert er Wohlfahrtsverbände wie die Caritas und die Diakonie, die sich um Flüchtlinge kümmern: „Für die Sozialindustrie ist Zuwanderung ein milliardenschweres Geschäft.“

Das Thema Euro, einst Gründungsmotiv der AfD unter dem früheren Parteichef Bernd Lucke und Grund für Maier, der Partei beizutreten, spielt im Wahlkampf keine Rolle. Stattdessen kämpfen der Kandidat und die Seinen nun gegen Fahrverbote, wollen den Dieselmotor zumindest als Übergangstechnologie erhalten. Im sozialen Bereich plädiert Lothar Maier für eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes, die Beibehaltung des Mindestlohns und für den Abbau von Auflagen beim Neubau von Wohnungen: „Wir müssen einfacher bauen, auch wenn der Brandschutz dann vielleicht nicht ganz optimal ist“, sagt er auf dem Podium in Feuerbach.

Lothar Maier gibt sich redlich Mühe, sich nicht in eine Schublade pressen zu lassen, bleibt in der Öffentlichkeit stets diplomatisch und wägt seine Worte ab. Ob er innerhalb der AfD eher den Rechtsaußen Björn Höcke oder die Parteichefin Frauke Petry bevorzuge, fragt ihn der Moderator der Debatte in der Feuerbacher Festhalle. Seine Antwort: „Beide sind akzeptabel und sympathisch.“ Ganz am rechten Rand des politischen Spektrums zieht Maier aber doch eine Grenze: „Nazis haben in der AfD nichts verloren.“