Die Wahlliste neu aufstellen zu lassen, wäre aufwendig – und teuer. Foto: dpa/Daniel Karmann

Zwei Kandidaten von der Europawahlliste der AfD standen im Verdacht, ihre Lebensläufe für ihre Kandidatur geschönt zu haben. Jetzt hat die Parteispitze die Angaben prüfen lassen – und eine umstrittene Entscheidung getroffen.

Es gehört zur Außendarstellung der AfD, die Frage besonders wichtig zu nehmen, ob jemand eine abgeschlossene Ausbildung hat. Das war erst kürzlich im Bundestag bei der Debatte um das Heizungsgesetz zu sehen, als SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert von der AfD-Fraktion gefragt wurde, „welche Berufsabschlüsse Sie haben und welche Studienabschlüsse Sie vorweisen können.“

Umso bemerkenswerter ist der Skandal, der die AfD nun beschäftigt. Im Sommer wählte die Partei bei ihrem Treffen in Magdeburg ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl im kommenden Jahr. Es war ein aufwendiges Prozedere, das sich über vier Tage zog. Kurze Zeit später wurde bekannt, dass einer der gewählten Kandidaten, Arno Bausemer, bei seiner Bewerbung falsche Angaben in ihren Lebensläufen gemacht haben soll. Das deckten Recherchen des Nachrichtenportals t-online auf. Außerdem hatten Parteimitglieder behauptet, eine weitere Kandidatin, Mary Khan-Hohloch, habe ihren Lebenslauf geschönt.

Erstmal nichts

Am Montagabend traf sich der AfD-Bundesvorstand, um über die Affäre zu beraten – und nach vier Stunden zu entscheiden: Wir machen erstmal nichts. Man will die Kandidaten wie beschlossen aufstellen. Dass zwei von ihnen bei ihrer Bewerbung Angaben geschönt haben könnten, wird keine Konsequenzen haben. Es ist heikler Beschluss, mit dem der Parteivorstand auch seine Basis verärgert.

Besonders die Vorwürfe gegen Bausemer, Listenplatz 10, wiegen schwer. Bausemer, Lokalpolitiker aus Sachsen-Anhalt, hatte angegeben, ein Volontariat beim MDR abgeschlossen zu haben. Den t-online-Recherchen zufolge handelte es sich aber lediglich um ein sogenanntes „Volontariatspraktikum“, das Bausemer während seines Studiums über neun Monate absolvierte. Es gilt nicht als Berufsabschluss, zumal Volontariate in der Regel etwa zwei Jahre dauern.

Kein formaler Geschäftsführer

Dass Bausemer seit 2012 Geschäftsführer eines mittelständischen Landwirtschaftsbetriebs war, wie er angegeben hatte, lässt sich laut den Recherchen ebenfalls anzweifeln. Bei dem Betrieb soll es sich um den Geflügelhof von Bausemers Eltern handeln, der nicht im Handelsregister eingetragen sein soll – und damit keinen formalen Geschäftsführer hat. Inhaberin des Hofes soll bis 2022 noch seine Mutter gewesen sein. Bausemer äußerte sich in verschiedenen Medien zu den Vorwürfen und wies sie zurück. Seine Angaben hält er für sauber.

Bei der Brandenburger AfD-Politikerin Khan-Hohloch, Listenplatz 14, ging es um die Frage, ob sie ihr angegebenes Studium tatsächlich abgeschlossen hatte. Das zweifelten innerparteiliche Gegner schon auf der Europawahlversammlung an.

Keine weiterführenden Entscheidungen

Nach den Berichten über die fragwürdigen Lebensläufe ließ die Parteispitze schließlich alle 35 Kandidatinnen und Kandidaten überprüfen, die auf der Europawahlliste stehen. Mit den Ergebnissen beschäftigte sich der Bundesvorstand dann in seiner Sitzung am Montag. In einer Stellungnahme teilten die Bundessprecher Tino Chrupalla und Alice Weidel am Dienstag dann mit, dass bei den Beratungen keine weiterführenden Entscheidungen und Beschlüsse gefasst worden seien.

Außerdem schrieben die Bundessprecher: „Die bereits bekannten mutmaßlichen Sachverhalte um die Kandidaten Bausemer und Khan-Hohloch wurden bestätigt. Zur Zeit der Bewerbungsreden lagen keine berufs- oder studienqualifizierenden Abschlüsse vor.“ Khan-Hohloch habe inzwischen aber einen Nachweis über ihren Studienabschluss vorlegen können. Der Bundesvorstand wolle in den kommenden Tagen „über angemessene und geeignete Maßnahmen beraten, um dem erschütterten Vertrauen innerparteilich angemessen zu begegnen“, hieß es weiter.

Dass der Bundesvorstand trotz aller Unsauberkeiten an Bausemer und Khan-Hohloch festhält, dürfte auch einen sehr pragmatischen Grund haben: Dann müsste die gesamte Wahlliste neu aufgestellt werden. Wieder müsste die Partei zusammenkommen, womöglich erneut über Tage zusammensitzen. Das ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch teuer. Viele Mitglieder der Parteibasis hatten sich jedoch Konsequenzen und eine transparente Aufklärung des Falls gewünscht. Über sie hat sich die Parteispitze hinweggesetzt.