Die Restauratoren Frank Dornacher und Patricia Peschel inspizieren die Teile der 200 Jahre alten Uhr. Foto: factum/Granville

In der Zeit bis Weihnachten öffnen wir jeden Tag ein Türchen zu einem Ort in der Region Stuttgart, der sonst meist verschlossen ist. Am 20. Dezember besichtigen wir die Restauratorenwerkstatt im Schloss Ludwigsburg.

Ludwigsburg - Nichts anfassen, hier ist alles entweder sehr wertvoll oder giftig“, sagt Patricia Peschel. Die Oberkonservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg gibt eine exklusive Führung in einen Raum, der sonst keinem Besucher des Residenzschlosses Ludwigsburg zugänglich ist: in die Restauratorenwerkstatt.

 

Hier arbeitet gerade der Restaurator Frank Dornacher an einer Bodenstanduhr mit Musikwerk aus dem Jahr 1809. Zur Materialbestimmung muss er die Uhr in ihre Einzelteile zerlegen, wie bei einem Puzzle aus der Vergangenheit. Mit bunten Stickern markiert er jede Naht und jede Nagelposition, damit er das alte Mobelstück anschließend wieder richtig zusammensetzen kann. 14 Tage hat er schon an der Uhr gearbeitet. Das Herzstück, das Uhrwerk, fehlt dabei noch. „Vielleicht gibt es hier noch eine Überraschung“, sagt Dornacher.

1000 Objekte rein, 1000 Objekte raus

Das Restaurierungs- und Konservierungsprogramm im Schloss ist stramm: Bis zum Jahr 2020 sollen 35 königliche Räume des Neuen Corps de Logis, also des Haupttrakts des Schlosses, wieder mit jenen Möbelstücken ausgestattet werden, die zu Zeiten des ersten württembergischen Königs, Friedrich I., dort standen. 2000 Objekte hat Peschel in alten Inventarlisten gezählt, Möbel, Kronleuchter, Porzellan und vieles mehr – alles akribisch festgehalten. „Die Beamten damals waren fleißig“, sagt Peschel.

1000 Objekte sollen in die königlichen Räume hinein, ebenso viele müssen raus, weil sie nicht Bestandteil des Zustandes um das Jahr 1810 sind, sondern später hinzugefügt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe ein anderes Einrichtungskonzept gegolten, sagt Peschel: möglichst üppig. Das hat dazu geführt, dass beispielsweise der Speisesaal mit prunkvoll glänzenden Stühlen aus dem staatlichen Bestand eingerichtet wurde, diese aber ursprünglich gar nicht dort standen. Das große Möbelrücken im Residenzschloss kostet vier Millionen Euro – und der größte Teil geht für Restaurierungen drauf.

Nach dem Tod Friedrichs I. stand das Schloss leer

Im Fachjargon spricht man von Konservierung : Damit gemeint ist die Bewahrung des ursprünglichen Zustands der Objekte. Wenn etwas fehlt und dann neu hinzugefügt werden muss, beispielsweise Beschläge an der Standuhr, spricht man von Restaurierung. „Es ist unsere Verpflichtung, dieses Kunstgut für die nächsten Generationen weiter zu erhalten“, sagt Peschel.

So wurden beispielsweise die Bankette – gepolsterte Sitzbänke mit Seidenbezug – im Audienzsaal von Friedrich I. aufwändig konserviert. Erhalten geblieben sind die Bankette nur, weil das Schloss nach dem Tod Friedrich I. im Jahr 1816 lange ungenutzt blieb – ein Glücksfall für die Restauratoren und Forscher. Im Idealfall soll nichts hinzugefügt werden: Hätten einzelne Posamente – so heißen die in Handarbeit gefertigten Bommel, die vom Seidenstoff bis zum Boden hängen – gefehlt, wäre eine Lücke geblieben. „Wegen der aufwändigen Handarbeit wären diese Posamente heute ein Vermögen wert“, sagt Peschel.

Die Konservierungsarbeiten fördern auch manch andere kostbare Überraschung zutage: So entdeckten die Restauratoren bei zwei prunkvollen Konsoltischen im Thronsaal, dass die schwarze Bodenplatte ursprünglich einmal golden strahlte. Sie wird jetzt mit Lasern wieder zu altem Glanz gebracht.

Die größte Überraschung bislang war laut Peschel aber eine Unterschrift: ein bislang als unbedeutend eingestuftes Portrait Friedrichs des Großen stellte sich als Werk des Hofmalers Antoine Pesne heraus – und damit als ein Gemälde von nahezu unschätzbarem Wert.

550 Quadratmeter Seide

Ebenfalls von großer Bedeutung ist das königliche Schlafzimmer mit einem Baldachin aus Seide. Es ist das einzige in Europa erhaltene Zeltzimmer aus dem 19. Jahrhundert – eine Mode, die zu Napoleons Zeiten aufkam. Vom alten Prunk ist derzeit aber nicht viel zu sehen: die 550 Quadratmeter Seidendraperien sind abgehängt und werden restauriert, ein Baugerüst verstellt den Blick. „Als wir die Seide abgehängt haben, herrschte Totenstille im Raum. Jeder befürchtete, der alte Stoff reisst“, sagt Peschel. Den Baldachin selbst dürfen die Restauratoren nicht abnehmen. Und den Boden darunter dürfen sie auch nicht betreten – dort ist ein Original-Teppich aus dem 19. Jahrundert verlegt.