Ein übergewichtiger Mann sitzt in einem Freibad. Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Mit ihrem Gewicht kämpfen viele Menschen. Medikamente, die nach einfacher Abhilfe klingen, sind entsprechend gefragt. Wundermittel gibt es bisher aber nicht, stellen Fachleute klar.

Für übergewichtige Menschen sind neuartige Adipositas-Medikamente – im Sprachgebrauch auch „Fett-weg-Spritze“ genannt – gedacht, die man sich zusätzlich zu Änderungen des Lebensstils unter die Haut spritzt.

 

Veränderter Lebensstil statt Abnehmspritze

Rund um solche Abnehmspritzen sind Fachleuten zufolge falsche Vorstellungen verbreitet. Es gebe den Wunsch, so ein Mittel zu nehmen und ansonsten weiterzumachen wie bisher, sagte der Geschäftsführer des Geschäftsbereichs Arzneimittel der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda), Martin Schulz, am Donnerstag (22. Februar) bei einer Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Berlin. Schulz ist auch Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker.

Tatsächlich müsse die Einnahme eingebettet sein in ein Gesamtkonzept mit einem veränderten Lebensstil, etwa Ernährungsumstellung und mehr Bewegung, unterstrich DDG-Vizepräsidentin Julia Szendrödi vom Universitätsklinikum Heidelberg. Wird das Medikament abgesetzt, steige das Gewicht ansonsten wieder an. Nebenwirkungen könnten unter anderem schwere Übelkeit sein. Es brauche immer eine ärztliche Begleitung, so Szendrödi.

Krankenkassen zahlen Spritze nicht

Bei der Debatte geht es um sogenannte GLP-1-Rezeptoragonisten wie etwa Semaglutid, die in der breiten Öffentlichkeit mit Bezeichnungen wie Abnehmspritze bekannt wurden. Solche Präparate werden bei Patienten mit Diabetes schon länger genutzt.

Bei ihnen lasse sich der Nutzen im Vergleich zum Risiko gut abwägen, erklärte Szendrödi. Die bisherigen Erkenntnisse ließen sich aber nicht automatisch auf Menschen mit gesundem Stoffwechsel übertragen.

Eine Zulassung gegen Adipositas ist neuer, solche Produkte müssen gesetzlich versicherte Patienten bisher in der Regel selbst bezahlen. Schulz erwartet diesbezüglich zunächst auch keine Veränderung.

Angebot bleibt hinter Nachfrage zurück

Bei allen GLP-1-Rezeptoragonisten gebe es außerdem weiterhin und voraussichtlich noch das ganze Jahr „massive Versorgungsengpässe“, sagte Schulz. Den enormen weltweiten Anstieg der Nachfrage könnten Hersteller bisher nicht bedienen.

Folgen der hohen Nachfrage sind demnach unter anderem gefälschte Rezepte, außergewöhnlich hohe Verordnungsmengen auf normalen Rezepten und Verordnungen durch fachfremde Ärzte. Diese Mittel hätten einen Wert auf dem internationalen Schwarzmarkt. Gefälschte Spritzen seien in Deutschland „ziemlich sicher“ nicht bei Patienten angekommen. Es habe sich um umetikettierte Insulin-Pens gehandelt.

Mehr als die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig

Bei vielen Menschen mit starkem Übergewicht bis hin zur Fettleibigkeit bleibt die Mühe vergebens: Auch wenn sie ihre Ernährung umstellen und Sport treiben, wollen die Pfunde nicht so recht purzeln. Das bedeutet Frust, gerade wenn das Gewicht auch noch mit anderen Gesundheitsproblemen wie Diabetes zusammenhängt.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin sind in Deutschland mehr als 46 Prozent der Frauen und über 60 Prozent der Männer von Übergewicht (einschließlich Adipositas) betroffen. Fast ein Fünftel der Erwachsenen (19 Prozent) weisen eine Adipositas – also eine Neigung zur Fettleibigkeit - auf.

Warum neigen manche Menschen zu Übergewicht?

Die grundsätzliche Frage lautet: Warum sind manche Menschen schlank und warum neigen andere zu Übergewicht? Forscher aus Basel haben hierzu jüngst eine wegweisende Entdeckung gemacht. Sie haben eine Art Schalter ausfindig gemacht, der den Prozess der Fettverbrennung im Körper steuert.

Bei diesem molekularen Schalter handelt es sich um Arf1. Die Abkürzung steht für Adenosyl-Ribosylierungs-Faktor 1. Die Entdeckung könnte dazu beitragen, Krankheiten wie Diabetes und bestimmte Krebsarten besser zu verstehen. Die Studie ist im Fachmagazin „Nature Cell Biology“ veröffentlicht worden.

Das Protein Arf1 ist seit langem bekannt. „Wir wussten bereits, dass es einige Funktionen beim Golgi-Apparat übernimmt, der Sortierstation in der Zelle. Nun haben wir entdeckt, dass Arf1 auch den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien steuert“, sagt Ludovic Enkler von der Universität Basel. „Arf1 sorgt dafür, dass die Lipide, von den Lipid-Tröpfchen in die Mitochondrien transportiert werden.“

Wie wichtig ist Fett für den Menschen?

Jeder Organismus benötigt Energie zum Leben. Der Mensch nimmt Energie über die Nahrung auf und verwendet sie teilweise direkt oder speichert sie im Körper.

Während Glucose (das Kohlenhydrat Einfachzucker) als schneller Energielieferant direkt zur Verfügung steht, werden Fette als Energievorrat angelegt. Unsere Zellen speichern Fette – die so genannten Lipide – in Form von Tröpfchen.

Wie verwertet unser Körper Fett?

Wie unser Körper Nahrung verwertet, ist entscheidend für die gesamte Energiegewinnung und den Fettauf- bzw. -abbau. Beim Fettstoffwechsel kommt einem bestimmten Protein (Eiweißmolekül) eine zentrale Rolle zu, wie die Forscher zeigen. ATP– die Abkürzung steht für Adenosintriphosphat. Es steuert die Speicherung bzw. Umwandlung der Fette in Energie.

Was passiert mit der Energie in Form von Fetten?

ATP wird im Organismus als der wichtigste Energiespeicher in den Zellen benötigt. Doch wie viel Energie benötigt der Körper aus seinem ATP-Energievorrat? Wie viel Fett wird in ATP umgewandelt? Wann wird der Umwandlungsprozess gestartet und wann beendet?

Dieser komplexe Prozess läuft folgendermaßen ab: Die überschüssige Energie speichert unser Körper in Form von Fett. Bei Energiebedarf – zum Beispiel, weil wir Sport treiben – zapft der Körper diese Fettreserven an. Dazu wird in den Mitochondrien – den Kraftwerken des Körpers – Fett in das Molekül ATP umgewandelt, dass den Zellen Energie liefert.

Wie empfindlich ist das Energiesystem unseres Körpers?

Sehr empfindlich. Wie sensibel der Fettstoffwechsel ist, zeigt sich besonders am Beispiel von Fettstoffwechselstörungen. Bereits winzige Fehler im Fettstoffwechsel können erhöhte Cholesterinwerte (Blutfettwerte) nach sich ziehen und damit das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen steigern oder Krankheiten wie Fettleibigkeit (Adipositas) oder Diabetes auslösen.

Wie wichtig ist der Arf1-Schalter?

Extrem wichtig. Arf1 spielt eine zentrale Rolle bei dem Prozess der Energieverbrennung von Fett in ATP im Körper. „Arf1 hält damit den Stoffwechsel in Balance“, erklärt Anne Spang vom Biozentrum der Universität Basel. Damit dieses umfassende System funktioniert, müssten verschiedene Prozesse genau aufeinander abgestimmt ablaufen.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Arf1 die Umgebung der Kontaktstelle zwischen Fett-Tröpfchen und Mitochondrien so verändert, dass die Fette in die Mitochondrien gelangen können.

Das heißt: Signalisiert der Körper Energiebedarf, lässt Arf1 die Fett-Moleküle in sein Kraftwerk hinein. Sobald der Energiebedarf gedeckt ist, wird der Transport gestoppt. Fehlt Arf1 oder ist es überaktiv, gerät das ganze System aus dem Gleichgewicht. Eine Folge kann auch Übergewicht sein.