Der Welpe Smarty sucht immer noch ein neues Zuhause. Beim Impfen hat er seine Geschwister wiedergetroffen. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Michele Danze

Wir begleiten Lino, einen der ausgesetzten Silvester-Welpen, auf seinen ersten Schritten in sein neues Leben. Beim Impfen trifft er seine Geschwister wieder.

Stuttgart - Ein einziges flauschiges Knäuel aus beigefarbenen und schwarzen Haaren rollt und springt durch den Empfangsraum im Tierheim Botnang. Welche tapsige Tatze, welche neugierige und gefräßige Schnauze und welcher vor unbändiger Freude wedelnder Schwanz zu welchem Welpen gehört, lässt sich kaum ausmachen. Wüsste man es nicht besser, würde man denken, dieser Haarwuschel sei ein Hund mit 16 Beinen, vier Schnauzen und vier Schwänzen. Tatsächlich tollen hier Lino, Smarty, Silvester und Silva herum.

Kräfte messen und raufen mit den Geschwistern – bis der Arzt kommt

Die Geschwister haben sich seit dem 19. Januar nicht mehr gesehen, denn an diesem Tag kamen sechs der acht Welpen, die ausgesetzt und am Silvestertag gefunden worden waren, zu ihren neuen Familien.

Für Lino, der ehemals Sebbi hieß und der bei den Poeppels in Weilimdorf lebt, ist dieser Morgen sehr aufregend. Gerade noch hat er sein Frühstück zwischen die Autositze gekotzt – schaukelt das doch bei der Fahrt auch immer so fies. Und nun diese Freude: Kräfte messen und raufen mit den Geschwistern – bis der Arzt kommt.

Denn darum geht es heute eigentlich: Lino und seine Brüder und Schwestern sollen geimpft werden. Doch das ahnen Lino, Smarty, Silvester und Silva noch nicht. Denn erst einmal steht noch eine weitere Begegnung an, die Wiedersehensfreude auslöst: Als Stefan Groß den Empfangsraum betritt, löst sich das Knäuel in seine einzelnen Bestandteile auf, und die Meute fällt über den Tierpfleger her. Da wird gekost und geschleckt, gezappelt und gestreichelt, gekuschelt und gefiept. „Ihren Pfleger, der sich in ihren ersten Wochen um sie gekümmert hat, erkennen sie alle wieder“, sagt Sabine Poeppel. Sie ist zusammen mit ihrem ältesten Sohn Tobias ins Tierheim gekommen – und dieser hat gerade „eine Woche Erziehungsurlaub“ hinter sich. Er hat in der vergangenen Woche allein auf Lino aufgepasst, weil der Rest der Familie im Skiurlaub war. „Es war anstrengend, hat aber viel Spaß gemacht“, sagt Tobias Poeppel, der beim Welpenhüten tatkräftige Unterstützung von seiner Freundin Carolin Müller bekommen hatte.

Bei Lino haben sich Demodex-Milben ausgebreitet

„Die beiden haben Lino in der Woche beigebracht, Sitz und Platz zu machen und die Pfote zu geben“, sagt Sabine Poeppel. Und tatsächlich, nachdem Lino, erschöpft vom vielen Toben, zu seiner Familie getrottet kommt, beweist er, dass er bereits das kleine Einmaleins des Welpengehorsams beherrscht. Freilich wird er sogleich mit Leckerli belohnt, gelobt und gestreichelt. Doch dann kommt auch noch Bruder Stevie – und vorbei ist wieder es mit der Ruhe.

Lino wird aufgerufen. Neugierig tappt er in das kleine Praxiszimmer im Tierheim und begrüßt die Tierärztin Christina Ebert-Schramm mit einem freudigen Schwanzwedeln. Trotz der Erfahrung, ausgesetzt worden zu sein, ist Lino ein vertrauensvoller, offener und selbstbewusster kleiner Rüde, der freudig auf alle Menschen zugeht. „Er hat anscheinend kein Trauma durch dieses schlimme Erlebnis zurückbehalten“, sagt Sabine Poeppel.

Den glatten Untersuchungstisch, der für ihn in schwindelerregender Höhe ist, schätzt Lino allerdings nicht. Schwupps: Mit einem waghalsigen Sprung ist Lino wieder auf sicherem Boden. Doch es gibt kein Entkommen. „Manchmal hat Lino so weißen Schleim im Auge“, sagt Sabine Poeppel. Ebert-Schramm tastet die Lymphdrüsen des Welpen ab und stellt fest, dass diese geschwollen sind. Dann schaut sie sich Linos Augen genau an. „Wenn man genau hinsieht, erkennt man eine Brillenbildung“, sagt sie dann. Eine was? Braucht Lino eine Brille? Natürlich nicht. Vielmehr haben sich die sogenannte Demodex-Milben bei Lino ausgebreitet. Diese Milben trägt jedes Lebewesen an sich – sie stellen nur dann ein Problem dar, wenn sie sich stark vermehren, etwa weil das Immunsystem schwächelt. Durch sie entstanden kahle Stellen rund um Linos Augen, die ihn aussehen lassen, als trage er eine Brille. „Das hatte er von Anfang an“, sagt Sabine Poeppel. Sie bekommt ein Spot-on-Präparat mit, das sie Lino in den Nacken träufeln soll – aber erst in zwei Wochen, wenn Lino die Impfung verkraftet hat.

Rund 20 Euro kostet solch eine Impfung

Denn um die kommt Lino nicht herum. Es ist bereits die dritte Impfung, die er bekommt – und mit dieser ist die Grundimmunisierung beendet. Die nächste Impfung steht dann erst wieder in einem Jahr an. Es sind gleich sechs Krankheiten, vor denen – mit nur einem Pikser – Lino fortan geschützt sein soll: Tollwut, Staupe, Hepatitis, Parvovirose, Zwingerhusten und Leptospirose. Lino fiept kurz, als die dünne Nadel in seine Flanke eindringt – dann ist’s auch schon vorbei. Rund 20 Euro kostet solch eine Impfung normalerweise, die ersten drei übernimmt aber das Tierheim. Sowie die Kosten für die Kastration. Doch das hat zum Glück noch Zeit. Frühestens nach einem halben Jahr kann der Eingriff vollzogen werden, „wenn die Hoden groß genug sind“.

Der Rest des Hundes zumindest ist bereits ziemlich gewachsen. Das zeigt auch die Waage, auf die Lino nun noch muss: 9,98 Kilogramm zeigt die Anzeige an. „Als er zu uns kam, wog er 5,3 Kilo“, erinnert sich Tobias Poeppel. Aber wenn Lino doch auch immer so brav Pfötchen gibt: Das muss nun einmal mit einem Leckerli belohnt werden.