Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Michele Danze

Sie waren zum Sterben im Wald abgestellt worden – zum Glück aber wurden die acht ausgesetzten Welpen gefunden und haben überlebt. Das Tierheim hat die Hunde nun vermittelt – wir begleiten Sebbi auf seinen ersten Schritten in sein neues Leben.

Stuttgart - Die wenigen Treppenstufen, die hinunter zum Haus der Familie Poeppel in Weilimdorf führen, sind eine einzige vereiste Rutschbahn. Sabine Poeppel reicht die Hand zur Hilfe. „Wir streuen trotz der Glätte keine Steinchen , weil er einfach alles frisst, was auf dem Boden liegt“, sagt sie.

Im Hausflur sitzt Fussel, der große weiße Kater, wie eine Statue auf dem Treppenabsatz. Doch nicht ihm ist die Eisbahn zu verdanken. Vielmehr ist Fussel ebenjener steinchenfressende Vielfraß suspekt. Die anklagende Frage: „Was will der denn überhaupt hier?“, scheint ihm ins regungslose Gesicht gemeißelt zu sein.

Der, um den sich alles dreht, räkelt sich derweil völlig ungerührt in seinem neuen Körbchen am Fenster im Wohnzimmer. Sebbi liebt seinen neuen Schlafplatz, den er nun ganz für sich allein hat, statt ihn sich mit seinen sieben Geschwistern teilen zu müssen. „Allerdings erkennt er die Schönheit des Körbchens nicht – er beißt den Schaumstoff kaputt, weswegen wir eine Decke darüberlegen“, sagt der fünfzehnjährige Martin.

Sebbi heißt jetzt Lino

Zusammen mit der ganzen Familie – seinen Eltern Sabine (52) und Stephan (55), seinem Bruder Tobias (19) und seiner Schwester Katharina (17) – hat Martin das Körbchen sowie ein Geschirr und eine Leine ausgesucht, nachdem feststand, dass das Tierheim die Familie auserwählt hatte, einem der acht ausgesetzten Welpen ein neues Zuhause bieten zu dürfen. „Die Freude war riesig“, sagt Sabine Poeppel.

Bereits in den vergangenen Sommerferien hatte die Familie beschlossen, einen Hund bei sich aufzunehmen. „Wir waren auf einem Campingplatz, auf dem viele Hunde herumsprangen – da wurde uns bewusst, dass man auch mit Hund in Urlaub fahren kann“, sagt Sabine Poeppel, die mit Hunden aufgewachsen ist. Als die Familie dann in der Zeitung von den acht ausgesetzten und am Silvestertag gefundenen Welpen las, stand der Entschluss schnell fest: Sie wollten einer der gemarterten Kreaturen ein Zuhause bieten. „Wir sind so glücklich, dass alle überlebt haben“, sagt Katharina.

Sebbi streckt sich, blinzelt kurz aus dem Fenster in den Garten, und schließt die Augen wieder. „Sonst spielt er mehr, aber heute ist Lino müde – er hat am Morgen im Tierheim seine zweite Impfung erhalten“, sagt Tobias. Lino? Tobias lacht: „Ja, wir haben Sebbi umgetauft, da ein guter Freund von mir Sebastian heißt und Sebbi gerufen wird – das war irgendwie komisch. Er heißt jetzt Lino.“ Seit knapp eineinhalb Wochen lebt Lino nun bei den Poeppels. Diese hatten im Tierheim eine Selbstauskunft ausgefüllt und dann Besuch von einem Tierschutzbeauftragten bekommen, der feststellte, dass Lino bei den Poeppels die besten Voraussetzungen vorfindet, um ein glückliches Hundeleben zu führen: einen Garten, eine ruhige Wohngegend am Ortsrand, ein großes Haus – vor allem aber liebevolle Menschen, die sich um Lino kümmern.

Lino hat schon ein Kilo zugenommen

Sabine Poeppel hat sogar eigens „Erziehungsurlaub“ genommen, wie sie es lachend nennt. Eigentlich arbeitet sie an zwei Tagen die Woche bei einer Wohnungsgenossenschaft, in Absprache mit ihrem Chef darf sie nun ihre Arbeitszeit ganz flexibel gestalten: „Ich gehe immer dann hin, wenn jemand anderes aus der Familie zu Hause ist“, sagt Sabine Poeppel. „Ein Welpe ist sehr zeitintensiv, aber wir sind ja viele.“ Ihr Ziel ist es, Lino später einmal mit zur Arbeit zu nehmen.

Die gute Pflege macht sich bemerkbar. In knapp eineinhalb Wochen hat Lino rund ein Kilo zugenommen. „Er frisst sehr gern, aber er schlingt alles runter – das hat er aus der Zeit mit seinen Geschwistern verinnerlicht, da musste er schnell fressen, bevor alles weg war“, sagt Tobias.

Und was reinkommt, muss auch wieder raus. „Das funktioniert viel besser als gedacht – es ist erst ein Malheur passiert“, sagt Sabine Poeppel. „Wenn der Welpe die Nase am Boden hat, wenn er gegessen, geschlafen oder gespielt hat, schnappt ihn sich jemand und bringt ihn in den Garten, damit er sein Geschäft verrichten kann“, sagt Katharina. Nachts kommt der Korb samt Hund ins Schlafzimmer der Eltern. „Einmal die Nacht, meist so um drei, meldet er sich – dann gehe ich mit ihm raus. Aber heute hat er das erste Mal durchgeschlafen“, sagt Sabine Poeppel.

Neue tierische Freunde hat Lino auch schon. Carolin Müller (20), Tobias’ Freundin, ist bereits mit ihren beiden Hunden vorbeigekommen. Und dann ist da ja noch Fussel, der inzwischen um die Ecke lugt. „Martin ist der Fussel-Beauftragte – er sorgt dafür, dass der Kater, der uns vor zweieinhalb Jahren zugelaufen ist, nicht zu kurz kommt – das war seine große Sorge“, sagt Sabine Poeppel. In Fussel kommt Bewegung. Er huscht – am Hundekorb vorbei – zur Terrassentür. „Jedes Mal bewegt er sich ein bisschen langsamer an Lino vorbei“, stellt Martin zufrieden fest.

Lino bewegt sich im Schlaf, seine Beine und Pfoten zucken. Wahrscheinlich träumt er davon, im Frühling, wenn das Eis ganz geschmolzen ist, mit Fussel und seiner Familie im Garten zu toben.