Dem Aufsehen erregenden Prozess um die Haupttäterin, die für einen Clan-Chef aus Berlin mehrere hundert Fahrzeuge zugelassen haben und dafür 120 000 Euro kassiert haben soll, folgt jetzt das Urteil für ihren Komplizen: er bekommt Bewährung für die Beihilfe zur Bestechlichkeit in 347 Fällen.
Böblingen - Im Komplex um manipulierte Zulassungen in der Böblinger Kfz-Zulassungsstelle ist ein zweites Urteil gefallen. Rund zweieinhalb Monate nach dem Richterspruch gegen eine 28-jährige ehemalige Mitarbeiterin der Zulassungsstelle, die zu einer Haftstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt worden war, sprach das Landgericht Stuttgart einen 35-Jährigen wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit in 347 Fällen zwischen August 2018 und Juni 2020 schuldig. Gegen ihn wurde eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Da er zuvor in Untersuchungshaft gesessen hat, wurde der Haftbefehl aufgehoben, und er verließ das Gericht in Freiheit.
Haupttäterin manipulierte Komplizen
Nach Ansicht des Gerichts hat der 35-Jährige die Frau psychisch unterstützt. „Er hat ihre Bedenken ausgeräumt, hat Verhaltenstipps gegeben, als die Zollfahndung in der Zulassungsstelle ermittelte und sie immer wieder bestärkt, Geld anzunehmen“, erklärte der Vorsitzende Richter Reiner Skujat. Allerdings sei der Mann nicht, wie in der Anklage angenommen, der Lebensgefährte der Haupttäterin gewesen, sondern nur ein Bekannter, der von der Frau in großem Stil manipuliert worden sei.
Die 28-Jährige habe ihm mehrere lebensgefährliche Erkrankungen wie Leukämie und einen Hirntumor vorgespielt. Ein Jahr lang habe sie ihm vorgemacht, dass sie gar nicht richtig arbeiten könne, sondern nur Laufdienste erledige. „Die Frau hat gelogen, betrogen und dem Angeklagten übel mitgespielt“, befand Richter Skujat.
Komplize wollte ihr in angeblicher Erkrankung beistehen
Das Verhalten der ehemaligen Mitarbeiterin sei auch eines der maßgeblichen Probleme dieses Prozesses gewesen – mehr als der Umfang der 126 Seiten starken Anklageschrift. So habe die Kammer zu Beginn dieses Verfahrens am 10. Juni die Aussage der Frau aus ihrem Prozess nicht gekannt, da das Urteil noch nicht verfasst gewesen sei. Als Zeugin in diesem Prozess sei sie nicht zur Verfügung gestanden, da sie gegen ihr Urteil in die Revision gegangen sei und sich auf ihre Aussageverweigerungsrecht berufen habe und zudem noch erkrankt sei. „Für uns stellt sie sich als schillernde Persönlichkeit dar, die viel taktiert hat und mit allen Wassern gewaschen ist“, meinte Skujat.
Obwohl der Angeklagte nur eine Beziehung auf Distanz zu der Frau führte, habe er ihr bei ihrer angeblichen schweren Erkrankung beistehen wollen. Er habe ihr alternative Heilmittel im Wert von 4000 Euro besorgt. Dies hatte ihm die Frau nach seiner Aussage aus den Bestechungsgeldern erstattet.
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Obwohl diese Aussage erst am drittletzten Prozesstag erfolgte, maß ihr das Gericht erhebliche Bedeutung bei. „Der Zeitpunkt hat mit der schwierigen prozessualen Situation zu tun, aber die Einlassung hat uns die Hintergründe erhellt“, lobte der Vorsitzende Richter. Für den Angeklagten habe auch gesprochen, dass er zehn Monate unter Pandemiebedingungen in Haft verbracht habe und abgesehen von drei Bagatelldelikten nicht vorbestraft sei. Der Prozess gegen die ehemalige Mitarbeiterin der Zulassungsstelle hatte Aufsehen erregt, weil sie für einen Mann, der zu einer libanesischen Bande in Berlin gehören soll, 525 Autos – teils aus dem Hochpreissegment wie Lamborghini oder BMW – ohne die notwendigen Unterlagen wie Kaufverträge, Versicherungsnachweise oder Prüfberichte zugelassen hatte und 120 000 Euro kassiert hatte. Sie wurde wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Diebstahl und Bestechung verurteilt.
Richter: Warum wird nicht gegen Autohändler ermittelt?
Richter Skujat erklärte, die Kammer sei irritiert, dass in diesem Komplex bisher nur der Angeklagte und die Ex-Mitarbeiterin vor Gericht gestellt worden seien. „Gegen die beiden Autohändler wird seit 2018 – bisher offenbar ohne Erfolg - ermittelt“, meinte er und gab dem Angeklagten noch einen Rat: „Halten Sie sich von diesen Männern und diesem Milieu in Zukunft fern.“