Nur durch das beherzte Eingreifen von Passanten ist am 3. Oktober nicht mehr passiert in der Marbacher Altstadt, als ein 42-Jähriger ein Wohnhaus, eine Kirche und das Polizeirevier angezündet hat. Ihm werden versuchter Mord und Brandstiftung vorgeworfen.
Marbach - Es war eine Tat, wie sie Marbach noch nicht erlebt und die Entsetzen in der ganzen Stadt ausgelöst hat. Nur haarscharf entkamen in der Altstadt mehrere Menschen den Flammen, nachdem ein 42-Jähriger in der Nacht zum 3. Oktober an gleich drei Orten Feuer gelegt hatte. Mit einem Fünf-Liter-Kanister Benzin, den er sich bei einer Tankstelle besorgt hatte, zündete er zunächst seine Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in der Niklastorstraße an. Später warf er noch zwei selbst gebastelte Molotowcocktails gegen die Eingangstür der Stadtkirche und die Tür des Polizeireviers. Nur durch das beherzte Eingreifen von Passanten ist in dieser Nacht nicht mehr passiert. Das wurde am Montag am zweiten Verhandlungstag am Heilbronner Landgericht deutlich, als die Helden der Brandnacht im Zeugenstand saßen und die Geschehnisse nochmals detailgetreu schilderten.
Mark Bühler und Fabian Cipriano werden diese Nacht ihr Leben lang nicht vergessen. Gemeinsam mit ihren Kumpels schlenderten sie in bester Stimmung nach einem Whisky-Tasting in Bühlers Keller unweit des einen Tatorts in Richtung Bahnhof – bis einem der Kumpels Rauch an einem Fenster des Wohnhauses auffiel. „Es war erst ganz unscheinbar, aber man hat gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt“, berichtete der 29-jährige Mark Bühler. Ohne nachzudenken, sei er zur Tür gestürmt und habe diese eingetreten, während Fabian Cipriano verzweifelt versuchte, die Bewohner durch Dauerklingeln aufzuwecken. „Im Haus war alles voller Rauch, man hat kaum etwas gesehen. Es war schwierig, sich zu orientieren“, sagte Bühler, der sich dennoch in den ersten Stock kämpfte und an Türen hämmerte. Mit Erfolg. Zwei Bewohner konnte er retten. Zwei weitere im zweiten Obergeschoss seien jedoch zu sehr vom Rauch eingeschlossen gewesen. „In den zweiten Stock wären wir nicht gekommen, das war zu gefährlich. Die zwei oben wären auch nicht mehr runtergekommen bei dem dichten Rauch“, ergänzte später Fabian Cipriano. „Wir haben ihnen gesagt, dass sie am Fenster bleiben sollen wegen der Luft. Und dann haben wir auf die Feuerwehr gewartet“, so der 31-Jährige.
Richter lobt den Einsatz von Mark Bühler und Fabian Cipriano
Für Mark Bühler eine schwere Zeit des Wartens: „Es hat mich überrascht, wie schnell sich das Feuer ausgebreitet hat. Und es war zermürbend, tatenlos zusehen zu müssen, wie es immer schlimmer wird. Ich bin dann wenigstens noch zum Nachbarhaus und habe da alle geweckt“, schilderte der 29-Jährige. Beide sagen: „Es war reiner Zufall, dass wir da vorbeigekommen sind und einer aus unserer Gruppe den Rauch entdeckt hat.“ Dass ihr Handeln auch gefährlich war, „wurde mir erst im Nachhinein richtig bewusst“, erklärte Mark Bühler, der wie sein Kumpel Fabian Cipriano vom Vorsitzenden Richter Roland Kleinschroth ob seines Einsatzes gelobt wurde. „Besser, schneller und richtiger kann man nicht handeln. Sie können sich auf die Fahnen schreiben, Leben gerettet zu haben. Meine Hochachtung“, zollte er den beiden seinen Respekt.
Während in der Niklastorstraße also langsam die Feuerwehr anrückte, erlebten Silvia Reuschlen und Nick Nitsche ihr eigenes Drama – nur ein paar Meter Luftlinie entfernt. Die beiden Marbacher wurden zufällig auf die brennende Kirchentür aufmerksam und handelten wie Mark Bühler und Fabian Cipriano geistesgegenwärtig schnell.
Beim Gassigehen hat Silvia Reuschlen den Brand entdeckt
Silvia Reuschlen war gegen 3 Uhr am Samstagmorgen mit ihrem Hund in der Altstadt unterwegs, weil die etwas betagte Mioritic-Dame eben manchmal nachts rausmuss, wie die Inhaberin des Marbacher Teeladens berichtete. Dabei entdeckte Silvia Reuschlen das Feuer, eilte zurück zu ihrer Wohnung und alarmierte die Feuerwehr. Um den Einsatzkräften den Weg zu weisen, ging sie daraufhin zurück Richtung Kirche, wo gerade auch Nick Nitsche mit dem Rad vorbeikam.
Der junge Mann war eigentlich auf dem Weg nach Murr, um sich dort an der Tankstelle noch Zigaretten zu kaufen. Als er die brennende Kirchentür sah, sprang er vom Rad und kletterte über den Bauzaun am Pfundhaus, wo er einen Eimer entdeckt hatte. Diesen füllte er am Marktbrunnen mit Wasser und löschte den Brand. Damit verhinderte er größeren Schaden an der Stadtkirche. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Brandsatz schon nicht mehr gebrannt, „dafür aber die Türe“, wie er vor Gericht erklärte.
Vom nahe gelegenen Wohnhaus-Brand hatten beide nichts mitbekommen. Dafür kam Silvia Reuschlen auf ihrem Spaziergang mit ihrer Hündin auf dem Weg vom Polizeirevier – noch war es hier ruhig – in Richtung Stadtkirche ein Mann entgegen. Ob dies der Angeklagte war, vermochte sie nicht zu sagen. Aber alles deute darauf hin. Der Mann, dem versuchter Mord und Brandstiftung vorgeworfen wird, hatte die Tat bereits beim Prozessauftakt zugegeben, zeigte aber keine Reue. Aus seinen teilweise wirren Aussagen ging hervor, dass er auch aus Unzufriedenheit auf „das System“ gehandelt habe und die Ansichten der Reichsbürger für schlüssig halte. Das Anzünden des Hauses sei falsch gewesen, sagte er, der Anschlag in der Sache aber richtig. Zu klären ist nun, ob der Angeklagte tatsächlich aus Hass auf das System gehandelt hat oder psychisch krank ist. Am Freitag soll es nun um den Anschlag auf das Polizeirevier geben, außerdem sollen zwei Feuerwehrleute aussagen. Das Urteil ist für den 11. Juni vorgesehen.