Die Polizei hatte den 42-Jährigen unmittelbar nach den Brandanschlägen gestellt. Foto: Oliver von Schaewen

Ein 42-Jähriger muss sich seit Montag vor dem Landgericht in Heilbronn verantworten. Er soll am 3. Oktober 2020 in der Marbacher Altstadt ein Haus, eine Kirche und das Polizeirevier angezündet haben. Von Reue zeigte der Mann keine Spur.

Ein Verbrechen hat im vergangenen Herbst weit über die Region Stuttgart hinaus Aufsehen provoziert – nur knapp entkamen mehrere Menschen den Flammen in der Marbacher Altstadt. An gleich drei Orten hatte ein Brandstifter in der Nacht zum 3. Oktober, zum Tag der Deutschen Einheit, Feuer gelegt, und sofort nach der Tat kam der Verdacht auf, dass der 42-jährige Täter auch aus fremdenfeindlichen Motiven handelte. Genau das ist eine zentrale Frage, die nun das Heilbronner Landgericht beantworten muss – am Montag hat der Prozess begonnen, die Anklage lautet: versuchter Mord und Brandstiftung.

Angeklagter zeigt keine Reue
Der Mann gab die Tat am ersten Prozesstag zu, zeigte aber keine Reue. Aus seinen teilweise wirren Aussagen ging unter anderem hervor, dass er aus Unzufriedenheit gegen „das System“ gehandelt habe und die Ansichten der Reichsbürger für schlüssig halte. Das Anzünden des Hauses sei falsch gewesen, sagte er, der Anschlag in der Sache aber richtig.

Gegen 3 Uhr morgen hatte der arbeitslose KfZ-Mechaniker die Feuer in der eng bebauten Marbacher Altstadt gelegt. Mit einem Fünf-Liter-Kanister Benzin, den er sich bei einer Tankstelle besorgt hatte, zündete er zunächst seine Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses an. Später warf er zwei selbst gebastelte Molotow-Cocktails gegen die Eingangstür der Marbacher Stadtkirche und die Tür des Polizeireviers. Bei der Verhaftung warf er, stark alkoholisiert, eine Schnapsflasche nach einer Beamtin.

Andere in Todesgefahr gebracht
Vor Gericht wollte der Angeklagte zunächst nicht auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Roland Kleinschroth antworten. Sein Schweigen hielt er aber nicht lange durch – und stellte seine Tat dann in einen systemkritischen Zusammenhang. Dabei versuchte er, sein Handeln mit kruden Behauptungen zu rechtfertigen, nach denen die Polizei auf Demonstranten schieße und die Kirche „Kinderfickerei“ betreibe. Der Richter sprach von Ausreden: „Zu Ihrer Verantwortung gehört, dass Sie andere Menschen in Todesgefahr gebracht haben – da führt kein Weg daran vorbei“, sagte er.

Psychisch krank oder purer Hass?
Zu klären ist, ob der Angeklagte tatsächlich aus Hass auf das System gehandelt hat oder psychisch krank ist. Wie knapp die vier Bewohner des Mehrfamilienhauses den Flammen entkamen, verdeutlichten die Zeugenaussagen. „Ich glaube nicht, dass wir es ohne die beiden Männer geschafft hätten, die von unten zu uns riefen: Raus, raus“, berichtete unter Tränen die 77-jährige Hauseigentümerin. Das Paar war im Schlaf von dem Feuer überrascht worden und gelangte durch das bereits total verqualmte Treppenhaus ins Freie. Noch heute wache sie nachts mit Angstattacken auf und lasse sich therapeutisch behandeln, erzählte die frühere Bankangestellte. Zusätzlich schmerze der Verlust persönlicher Gegenstände und des Mobiliars, was einem Schaden von rund 120  000 Euro entspreche. Hinzu komme ein Schaden in Höhe von rund 200 000 Euro am Gebäude. Man kläre das mit den Versicherungen, so die Zeugin.

Urteil wird im Juni erwartet
Der Mann der 77-Jährigen äußerte sich fassungslos darüber, dass ein Mensch, dem man immer geholfen habe, den Tod mehrerer Menschen in Kauf nehme. Der Täter habe seit fünf Jahren für eine Kaltmiete von 350 Euro in der Wohnung gelebt. Man habe sich gegrüßt, immer mal kurz geplaudert. Ähnlich äußerte sich einer der beiden Mieter aus dem Obergeschoss – sie waren von der Feuerwehr in höchster Not vom Dach und durch ein Fenster gerettet worden. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstagen festgesetzt. Das Urteil ist für den 11. Juni vorgesehen.