Das Land Baden-Württemberg reagiert mit Abstrichen bei Standards in der Kinderbetreuung auf den Personalmangel in den Einrichtungen (Symbolbild). Foto: dpa/Sebastian Gollnow

In den Kindertagesstätten im Südwesten gibt es akuten Personalmangel. Zugleich steigt der Bedarf der Eltern an Kinderbetreuung. Die Politik versucht, das mit einer Ausnahmeregelung auszubalancieren.

Weil die Lage in Baden-Württembergs Kitas angespannt ist, reagiert das Land mit Abstrichen bei Standards in der Kinderbetreuung. Kultus-Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart, es könne wie in der Coronapandemie wieder größere Gruppen geben. Die Ausnahmeregelung sehe vor, dass die Höchstgruppenstärke im Ausnahmefall um bis zu zwei Kinder überschritten werden kann. „Die Änderung der Verordnung ist aber auf das laufende Kitajahr begrenzt“, erklärte Schebesta. Der Entwurf gehe jetzt noch in die Anhörung bei Verbänden und Kommunen.

Gemeinde-, Städte- und Landkreistag hatten zuvor massiv Druck auf das Land gemacht, wieder Ausnahmen bei der Gruppengröße zuzulassen. Der dramatische Fachkräftemangel erlaube es nicht mehr, die bisherigen Standards einzuhalten und den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zu erfüllen. Die Kommunen reagierten damit auf die Weigerung des Landes, die Sonderregeln für den Personalschlüssel und die Gruppengröße aus der Corona-Zeit zu verlängern. Daraufhin hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) weitere Erleichterungen angekündigt.

Aufsichtspflicht muss gewährleistet sein

Nun hat das Kultusministerium das in eine Verordnung gegossen, die der dpa vorliegt. Demnach muss bei der Ausnahmeregelung gesichert sein, dass der Mindestpersonalschlüssel ohne Aufnahme der zusätzlichen Kinder eingehalten wird. Zudem muss die Aufsichtspflicht gewährleistet und die besonderen Bedürfnisse von behinderten Kindern berücksichtigt werden. Um die Gruppengröße erhöhen zu können, muss der Träger der Kita dies nur dem Landesjugendamt anzeigen.

Schebesta hatte im Sommer noch argumentiert, man habe Sorge, dass Erzieherinnen und Erzieher wegen der Belastung durch zu große Gruppen ihren Job aufgeben könnten. Mit der Ausnahmeregelung versuche das Ministerium den hohen Betreuungsbedarf der Eltern und die Belastung der Fachkräfte auszubalancieren, hieß es jetzt. Die Lage verschärfte sich, weil Erzieherinnen und Erzieher wegen Corona oder Grippe ausfallen. Hinzu kommt, dass viele geflüchtete Kinder aus der Ukraine betreut werden müssen.

Flexiblere Vertretungsregelung

Schon seit 1. September gilt, dass fehlende Erzieherinnen und Erzieher durch die doppelte Zahl an nicht-pädagogischen Kräften ersetzt werden können. Allerdings darf der Mindestpersonalschlüssel um nicht mehr als 20 Prozent unterschritten werden. Um besser auf Krankheitswellen reagieren zu können, gibt es auch eine flexiblere Vertretungsregelung: Fällt eine Fachkraft durch Krankheit aus, kann sie für maximal acht Wochen durch eine Zusatzkraft ersetzt werden.

Die Kommunen halten die Abstriche für verkraftbar. Zuletzt hatte eine Studie der Bertelsmann Studie ergeben, dass das Verhältnis Kinder pro Kita-Fachkraft bundesweit spitze ist. In den Kinderkrippen habe sich der Personalschlüssel zuletzt weiter verbessert, eine Erzieherin kümmere sich im Durchschnitt um 2,9 Kinder. In Kindergärten kümmerte sich zuletzt eine Fachkraft um rechnerisch 6,5 Kinder. Die Studie hatte aber auch ergeben, dass im kommenden Jahr 57 600 Kitaplätze fehlen, weil der Bedarf der Eltern steigt.