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Präsident Zwanziger will Ex-VfB-Chef zu Nachfolger machen. Beckenbauer empfiehlt Niersbach.

Stuttgart - Es gibt Ämter, für die man sich nicht bewirbt. Man wird gebeten. Der frühere VfB-Präsident Erwin Staudt ist mit im Rennen um den Chefsessel beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Und er sagt: "Ich fühle mich geehrt."

Erwin Staudt war schon immer ein Mann mit vielen Interessen. Er ist ein Mann der Wirtschaft, er hat ein Faible für die Kunst und ein Herz für den Fußball. Und nach seinem Rückzug aus dem Präsidentenamt beim VfB Stuttgart feilte er emsig am seinem Handicap im Golf. Gut möglich, dass der umtriebige Ex-Chef von IBM Deutschland demnächst im Chefsessel des größten Sportfachverbandes der Welt landet. Erwin Staudt (63) ist einer der Kandidaten für die Nachfolge von DFB-Präsident Theo Zwanziger (66). Der amtierende Chef des Deutschen Fußball-Bunds erklärte am Freitag vergangener Woche seinen Rücktritt im kommenden Jahr. Schon beim DFB-Bundestag im Oktober 2012 soll der Nachfolger übernehmen.

"Ich bin bereit und offen für diese Aufgabe", sagte Erwin Staudt am Sonntag und bestätigte unserer Zeitung Gespräche mit Theo Zwanziger. Er fühle sich geehrt, in der Phalanx der Leistungsträger genannt zu werden, die für diese Aufgabe infrage kommen. "Ich war acht Jahre Präsident beim VfB Stuttgart. Es war kein Fehler, das dort nun ein anderer übernommen hat. Jetzt geht es um den größten Job, den der deutsche Fußball zu vergeben hat. Und ich traue mir diese Aufgabe zu", sagte Staudt. Zwar sagt der Leonberger: "Ich gehe die Kandidatur mit gebremstem Ehrgeiz an." Doch wenn nicht alles täuscht, steht Erwin Staudt ganz oben auf der Favoritenliste des amtierenden DFB-Präsidenten.

Theo Zwanziger wählte die gemeinsame Weihnachtsfeier von DFB und Deutscher Fußball-Liga (DFL) am vergangenen Freitag im Gravenbrucher Hotel Kempinski, um seinen Rücktritt anzukündigen und die Spur für seinen möglichen Nachfolger zu legen. Mit am Ball: Erwin Staudt - in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied der DFL ist er auch Mitglied im DFB-Vorstand.

"Kompetenz, Engagement und Charakter sind die wesentlichen Merkmale, die eine Person haben muss, wenn sie in Führungsgremien des DFB arbeiten will", sagte Theo Zwanziger vor der Funktionärselite des deutschen Fußballs, "ich bin seit einigen Monaten mit einer Persönlichkeit im Gespräch, die ich für sehr geeignet halte. Einen Namen möchte ich aber noch nicht nennen." Zwanziger öffnete damit die Schleusen für eine Flut an Spekulationen. Nun scheint klar: Staudt ist der Auserwählte des Juristen aus Altendiez, den die Dauerkritik an seiner Amtsführung offenbar zermürbt hat.

Noch ist allerdings schwer abzuschätzen, ob die Fußball-Familie ein Oberhaupt aus dem Schwäbischen akzeptieren würde. Zumal sich andere prominente Kandidaten Hoffnungen auf das Ehrenamt machen. Zum Beispiel Wolfgang Niersbach, hauptamtlicher Generalsekretär beim DFB. Der ehemalige Journalist ist im deutschen Fußball gut vernetzt. Sein enger Freund Franz Beckenbauer, dem er während der WM 1990 als Pressesprecher diente, hat sein Urteil bereits gefällt: "Wolfgang Niersbach ist in meinen Augen der Beste. Er kann alles." Gerhard Mayer-Vorfelder ist skeptisch: "Ich bin der Ansicht, dass der neue Mann aus dem Ehrenamt kommen sollte, wie es beim DFB-Tradition ist."

Wie schnell sich die Verhältnisse im Haifischbecken der Sportpolitik ändern können, musste neulich Rainer Koch erfahren. Der ehrgeizige Jurist galt lange als potenzieller Nachfolger von Zwanziger. Dann fiel der Chef des Süddeutschen und des Bayerischen Fußball-Verbandes in Ungnade, weil er sich in der Schiedsrichter-Affäre um Manfred Amerell und Michael Kempter angeblich ungefragt als Vermittler eingeschaltet hatte. Jetzt scheint Koch eine Kandidatur selbst als relativ aussichtslos einzuschätzen: "Die Frage stellt sich nicht."

Ob sie sich für Reinhard Rauball (64) stellt, ist bisher nicht beantwortet. Seine Chancen stünden jedenfalls gut, sollte er den Finger heben. Rauball ist Präsident des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund, er ist Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und DFB-Vizepräsident. Bisher hat sich der erfahrene Funktionär und Jurist allerdings noch nicht geäußert.

Lediglich Außenseiterchancen dürfte DFB-Direktorin Steffi Jones haben. Sie machte als Chefin des Organisations-Komitees der Frauenfußball-Weltmeisterschaft einen guten Job, ist aber als Funktionärin noch zu unerfahren.

Gewählt wird der neue DFB-Präsident vermutlich schon im Frühsommer 2012 bei einem außerordentlichen DFB-Bundestag mit 261 Delegierten. Der Amtswechsel soll dann im Oktober vollzogen werden.