Mort Walker (1923-2018) hat einen der langlebigsten Erfolge der Comic-Geschichte geschaffen, den täglichen Strip „Beetle Bailey“. Foto: dpa

Das US-Militär im Comic „Beetle Bailey“ ist eine ziemlich unfähige, aber auch ein wenig brutale Truppe. Der nun mit 94 Jahren gestorbene Zeichner und Gagschreiber Mort Walker wollte aber nie zur Totalverweigerung aufrufen. Der 1950 gestartete tägliche Zeitungsstrip war aus seinen eigenen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg erwachsen.

Camp Swampy - Einen wirkungsvolleren Anwerbehelfer hat das US-Militär wohl nie gehabt: Fast sieben Jahrzehnte lang hat der am 27. Januar 2018 im Alter von 94 Jahren in Connecticut gestorbene Mort Walker allmorgendlich einen kleinen Comic über die Abenteuer des schlaffen, schluffigen, desinteressierten Soldaten Beetle Bailey geliefert: zu seinen besten Zeiten an 1800 Tageszeitungen in über 50 Ländern. Dabei ist Camp Swampy, wo „Beetle Bailey“ spielt, keine idyllische Kaserne. Der dicke, jähzornige, ordnungsversessene Sergeant Snorkel, der ewige Widerpart des Titelhelden, langt immer wieder kräftig hin. Ja, er schlägt seinen Untergebenen so zusammen, dass Walker manchmal nur ein paar zittrige Linien brauchte, um die Reste des Malträtierten zu zeichnen.

Das Ganze aber ist so übertrieben, wie alle Charakterzüge und Archetypen hier, dass dieser tägliche Strip wie die Kasernenanekdoten handelsüblicher Angeberburschen in der krassen Übertreibung vor allem eines erzählt: Kann ja wohl gar nicht so schlimm sein, das alles. Bei „Beetle Bailey“ war es obendrein stets die Zeichenkunst selbst, die dem manchmal erstaunlich derben Inhalt des Strips widersprach. Der runde, schwungvolle, gut aufgelegte Strich Walkers, das Knuffige der Figuren schienen so etwas wie das herzensgute Innere des äußerlich ruppigen Militärapparats hervorzukehren.

Die Erfahrung des Faschismus

Dabei war der am 3. September 1923 in El Dorado, Kansas, geborene Architektensohn Walker gar kein Kommiskopf. Aber er hatte 1943 mitten im Zweiten Weltkrieg seine Einberufung bekommen, war als Offizier des militärischen Geheimdienstes in Europa, hatte sich befreite KZs angesehen und in Italien ein großes Lager mit deutschen Kriegsgefangenen geführt. Für ihn war die US-Armee trotz aller Fehler eine Kraft des Guten in einer zu Furchtbarem fähigen Welt. Die Gespräche mit Deutschen und Italienern über das Leben unter der faschistischen Knute lehrten ihn die selbstverständlichen Freiheiten des amerikanischen Alltags ganz neu schätzen.

Es ist also kein Zufall, dass Walkers zweiter Langzeithit mit unglaublicher Laufleistung, der seit 1954 ebenfalls bis heute erscheinende „Hi and Lois“, vom heiteren, aber nicht immer stressfreien Familienleben erzählt. Es sind Nebenfiguren aus dem Militär-Comic „Beetle Bailey“, die sich hier selbstständig machen und jenen amerikanischen Frieden genießen, den Beetle und der Rest der inkompetenten Truppe wohl doch irgendwie zu schützen wissen. Walker hat hier nur die Gags geschrieben, gezeichnet hat „Hi and Lois“ bis zu seinem Tod im Jahr 1989 der „Hägar“-Schöpfer Dik Browne.

Kunst aus dem Familienbetrieb

Daily Funnies, wie die Amerikaner ihre täglichen Zeitungsstrips nennen, sind ein auslaugendes Geschäft. Oft werkeln im Hintergrund Zeichen- und Gagteams, aber Mort Walker wollte „Beetle Bailey“ so wenig aus der Hand geben wie Charles M. Schulz seine „Peanuts“. Als er Assistenz brauchte, hat er die Kollegen eng beaufsichtigt, hat seine drei Söhne und dann auch noch seine Enkel eingelernt. „Beetle Bailey“ ist ein Familienbetrieb geworden: Federführend ist derzeit Greg Walker, Jahrgang 1949.

Den philosophischen Tiefsinn der „Peanuts“ oder die zynische Bissigkeit von Johnny Harts „B. C.“ haben „Beetle Bailey“ und „Hi and Lois“ nie erreicht, man darf aber vermuten, dass die Schlichtheit der Figuren und Gags Absicht war. Walker zeigte in anderen Projekten andere Seiten von sich, er war 1974 auch der Begründer des Museum of Cartoon Art, eines frühen Comic-Museums, das 2002 mangels Spendenaufkommens wieder schließen musste. Mort Walker wusste, dass er und viele Kollegen Kunst produzierten. Aber er lieferte einen täglichen Comic gerade auch für jene Leute, denen Kunst und Kunstdiskussionen vollkommene schnuppe waren. Um Kunst kommt man immer herum, dachte er sich als einst aus dem Frieden in den Krieg Gerissener vielleicht, um das Militär nicht – dann soll man wenigstens darüber lachen können.