Der Turm in den Zugwiesen nahe des Neckars wird schon lange kontrovers diskutiert Foto: factum/Bach

Seit die Zugwiesen als Naturpark eröffnet wurden, werden sie regelrecht überrannt von Besuchern – ebenso wie andere naturnahe Ufer im Landkreis Ludwigsburg. Doch manche sehen dadurch Gefahren für Tiere und Pflanzen.

Ludwigsburg - Mit dem Frühling – sofern er demnächst doch noch kommt – ist auch die Saison der Zugwiesen bei Poppenweiler wieder eröffnet. Erfahrungsgemäß wird der Ansturm auf den Naturpark riesig sein. Dem Remsecker Vogelkundler Rainer Ertel ist das ein Dorn im Auge. Er erneuert seine Kritik an der Gestaltung der Zugwiesen: Schon jetzt gebe es immer weniger Tiere dort, behauptet er. Die Stadt und der Landkreis hingegen feiern das Ökoprojekt als vollen Erfolg. Es sei ein Beispiel für den schwierigen Spagat zwischen Naturschutz und Naherholung.

Es lässt Rainer Ertel keine Ruhe. Schon im Jahr 2012, als die Zugwiesen geflutet wurden und ein Aussichtsturm für die Besucher dort aufgestellt wurde, äußerte er lautstarke Kritik. Nun fühlt sich der 70-Jährige bestätigt. Im Umfeld des Turms seien immer weniger Vögel zu beobachten, sagt er. Für Ertel ist das kein Wunder: Das Metallgerüst sei völlig deplatziert und noch dazu falsch konstruiert. Seiner Meinung nach hätte es am südlichen Rand der Zugwiesen aufgestellt werden müssen, um die Tierwelt nicht zu stören, und zur Lärmdämpfung aus Holz gebaut werden müssen. „Mir geht es um den Naturschutz“, sagt Ertel. Dieser sei erfolgreicher, wenn man die Leute dafür begeistere. Das allerdings sei nur möglich, wenn man ihnen auch etwas bieten könne - die Beobachtung zahlreicher Vogelarten zum Beispiel.

Das sieht Claus-Peter Hutter, dessen Stiftung Nature Life den Turm gespendet hat, im Prinzip gar nicht so anders. Auch er ist davon überzeugt, dass man den Menschen ermöglichen muss, die Natur zu beobachten, damit sie diese schätzen lernen. Allerdings sei es gerade deshalb wichtig, dass sich der Turm mitten in den Zugwiesen befinde, betont er. Zumal von vornherein klar gewesen sei, dass hier keine „Käseglockennatur“ entstehe: „Wir sind hier in einer hochindustrialisierten Ballungszone mit drei bis vier Millionen Menschen, die eine tiefe Sehnsucht nach Natur haben“, sagt Hutter.

Dass hier nicht die Ruhe eines entlegenen Naturreservats herrschen könne, liege auf der Hand. Für ihn ist der unerwartet hohe Ansturm auf die Zugwiesen kein Manko, sondern ein Zeichen dafür, dass man mehr solcher Gebiete braucht.

Auch beim Landkreis und bei der Stadt Ludwigsburg ist man inzwischen höchst zufrieden. Es sei zwar eine Herausforderung, dass so unerwartet viele Menschen die Zugwiesen nutzten, sagt Gerhard Kohler, der Leiter des Fachbereichs Tiefbau und Grünflächen in Ludwigsburg – die Stadt musste angesichts des Ansturms eigens ein Regelwerk aufstellen und sogenannte Zugwiesenguides ausbilden, die für dessen Einhaltung sorgen. Doch der Stadt gehe es sowohl um den Naturschutz als auch um Naherholungsflächen für die Bürger. Wenn Letztere sich an die Regeln hielten, was meist der Fall sei, dann sei auch der Naturschutz nicht in Gefahr, so Kohler.

Das zeigen auch die Untersuchungen von Jochen Hölzinger. Der promovierte Zoologe hat die Zugwiesen seit Jahren im Blick – auch schon vor der Flutung. Damals habe es nur wenig Artenreichtum gegeben, inzwischen aber hätten sich zahlreiche Vogel-, Reptilien- und Amphibienarten angesiedelt, die jahrelang nicht mehr am Neckar heimisch waren. Von einer Störung der Natur durch die Menschen könne bei den Zugwiesen daher keine Rede sein – nicht zuletzt, weil es auch genügend für den Menschen unzugängliche Bereiche gebe.

Auch in Remseck, Marbach und Vaihingen/Enz werden die jeweils recht neu umgestalteten Flussufer regelrecht überrannt von Besuchern – allerdings sind diese auch explizit für die Naherholung gedacht. Dennoch verabschiedete der Gemeinderat in Remseck jüngst eine Polizeiverordnung für den Neckarstrand, um Müll, Vandalismus und nicht erlaubtes Grillen zu verhindern. In Marbach hofft man zwar auf noch mehr Zustrom, im Sommer schaut aber schon jetzt der Sicherheitsdienst am Neckarufer nach dem Rechten.