Das verpixelte Bild aus Seubersdorf zeigt nicht den Täter. Foto: AFP/FABIAN SCHREINER

Die Polizei äußert sich nach dem Angriff auf vier Passagiere in einem ICE in Bayern – die Ermittler gehen nicht von einem Terrormotiv aus.

Neumarkt - Der ICE-Messerstecher von der Oberpfalz ist laut einer ärztlichen Untersuchung psychisch krank. „Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie mit wahnhaften Vorstellungen“, sagte Gerhard Neuhof von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Neumarkt in der Oberpfalz. Laut der Kriminaldirektorin Sabine Nagel gibt es „derzeit keinerlei Hinweise auf einen islamistischen oder terroristischen Hintergrund“ der Bluttat vom Samstagmorgen.

Bei seiner Festsetzung habe der 27 Jahre alte Syrer gemäß dem Polizeieinsatzleiter Thomas Schöniger gesagt: „Ich bin krank, ich brauche Hilfe.“ Die Polizei geht davon aus, dass er ohne Planung allein gehandelt hat und es keine Mittäter oder Mitwisser gibt. In einem ICE war er zwischen Regensburg und Nürnberg mit einem Messer auf insgesamt vier männliche Zugpassagiere losgegangen und verletzte sie teils schwer. Der Vorwurf lautet nun unter anderem versuchter Mord. Da der mutmaßliche Täter allerdings als unzurechnungsfähig gilt, wurde er nicht ins Gefängnis in Untersuchungshaft genommen, sondern ins Bezirkskrankenhaus in Regensburg eingewiesen. Dort sind schuldunfähige Straftäter untergebracht.

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Es war ein gewalttätiges und höchst erschreckendes Geschehen, das sich am Samstag kurz vor neun Uhr abspielte - der Einsatzleiter Schöniger spricht von einer „lebensbedrohlichen Einsatzlage“. Im ICE 928, der von Passau nach Hamburg fährt, ging der Mann im Wagen 5 unvermittelt und offenbar wahllos mit einem Messer auf andere Fahrgäste los. Ein 26-Jähriger wurde den Angaben nach schwer am Kopf verletzt, zwei 60-Jährige erlitten Schnittwunden an Kopf und Rumpf. Der Messerstecher wechselte in den Waggon 4 und versetzte einem 39-Jährigen Stichverletzungen am Oberkörper. Insgesamt waren 208 Personen in dem Zug.

In dem Ort Seubersdorf auf halber Strecke zwischen Regensburg und Nürnberg kam der ICE zum Stehen. 420 Einsatzkräfte eilten herbei - Polizei, Rettungssanitäter, Feuerwehr. Im Zug hatten Passanten versucht, den Mann aufzuhalten. Ein Ärzte-Ehepaar, das privat unterwegs war, leistete erste Hilfe. Laut der Kriminaldirektorin Sabine Nagel legte sich der 27-Jährige auf den Boden als auf ihn eine Pistole gerichtet wurde. Er ließ sich von den Polizeibeamten widerstandslos fesseln und festnehmen. Die vier Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht, zwei von ihnen haben es mittlerweile wieder verlassen. Kriseninterventionsteams kümmerten sich um die anderen Reisenden, von denen einige unter Schock standen.

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Über den Messerstecher wurde bekannt gegeben, dass er in der syrischen Hauptstadt Damaskus geboren wurde und 2014 als Asylsuchender nach Deutschland eingereist war. Er erhielt einen festen Aufenthaltsstatus. Polizeilich aufgefallen sei er laut Nagel 2020 wegen eines „kleineren Raubdeliktes“, für das er auch bestraft wurde. Die ganze Zeit hielt er sich in Niederbayern auf und lebte zuletzt in einer Wohnung in Passau. Er war beschäftigt, einen Tag vor der Tat hatte er jedoch seine Arbeitsstelle „verloren“, so Nagel.

Gegenüber der Polizei und dem psychiatrischen Gutachter sagte der Mann laut Staatsanwalt Neuhof, dass er sich seit einiger Zeit von der Polizei bedroht fühle. Diese schicke ihm „Männer hinterher, um ihn verrückt zu machen“. Vom ersten Opfer im Zug, dem 26-Jährigen, habe er sich bedroht gefühlt und gesagt, dass er ihn deshalb töten wollte. Die anderen Taten habe er laut eigenen Angaben bei der Befragung „wie im Traum“ begangen. Dies alles lasse, so Neuhof, auf eine psychische Erkrankung schließen. Das Klappmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimetern habe er schon seit einiger Zeit mit sich geführt.

Zu vorübergehender Verwirrung hatte zuvor eine weitere Festnahme zur gleichen Zeit und im gleichen Zug geführt. Diese habe aber mit dem Messerstecher nichts zu tun und sei unabhängig davon erfolgt, es handelte sich dabei laut der Kriminaldirektorin Sabine Nagel um eine entdeckte Schleusung. Die Ermittler befragen nun vor allem Verwandte und Bekannte des 27-Jährigen. In Nordrhein-Westfalen leben seine Eltern und sein Bruder. Die Polizei bestätigt nicht, dass es dort auch zu einer Verhaftung gekommen sei. Ebenso unklar bleibt, ob eine Festsetzung in einem Passauer Studentenwohnheim etwas mit der Tat zu tun hat.