Blutabnahme beim Hausarzt Foto: dpa

Die Hausarzt-Lage ist auch im sogenannten Speckgürtel rund um Stuttgart nicht immer optimal. Fürs vordere Remstal, also den Bereich Waiblingen/Fellbach mit insgesamt 202 000 Einwohnern, nennt die Kassenärztliche Vereinigung einen Versorgungsgrad von lediglich 89,3 Prozent. Dem Waiblinger OB Andreas Hesky ist allerdings „nichts von einem drohenden Engpass bekannt“.

Waiblingen - Lange Wartezeiten und Aufnahmestopps in vielen Arztpraxen, die häufig zu einer Odyssee der Patienten führen: Was in eher ländlich geprägten Gegenden beklagt wird, hat auch für den sogenannten Speckgürtel rund um die Landeshauptstadt eine gewisse Berechtigung – wo man es nicht unbedingt erwarten würde.

So liegt aktuell der Versorgungsgrad in Waiblingen, Fellbach und Umgebung (insgesamt 202 000 Einwohner) bei 89,3 Prozent. Rein rechnerisch bestünden also 25 zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten.

„Wir haben durchaus unsere Probleme“, räumt Dr. Markus Schuler aus Leutenbach, Vorsitzender der Waiblinger Ärzteschaft, ein. „Es ist so, dass manche Kollegen Schwierigleiten haben, einen Nachfolger zu finden.“ Eine Lösung: Die Ärzte müssten länger arbeiten und ein paar Jahre später in Ruhestand gehen. Mit 60 Jahren aufhören und auf Schiffsreise gehen sei dann nicht drin. „Ich selbst bin 61 und werde nun bis 66 arbeiten.“

Wenn mehrere seiner Kollegen so agierten, „gibt das für die nächsten Jahre etwas Luft“. Auch in der eigenen Familie spürt Schuler im Übrigen den Druck: „Meine Frau hat ihren Beruf aufgegeben und arbeitet in der Praxis mit – das ist nicht mehr zeitgemäß.“ Ansonsten sei die Ärzteschaft im Großraum Waiblingen „gottfroh, wenn wir für jene, die aufgeben, einen Nachfolger finden“. Auch wenn der Versorgungsgrad 100 Prozent klar verfehle, möchte Schuler „nicht alles Schwarz sehen, es gab Zeiten, da war die Situation noch schlechter“.

Auch Waiblingens OB Andreas Hesky will von einem Hausärztemangel nicht sprechen. Waiblingen habe 30 Hausärzte, Fellbach 24. Mit Ausnahme des Stadtteils Bittenfeld, wo sich Hausarzt Dr. Wolf Ehmann mit einem Nachfolger schwer tue, sei ihm „nichts von einem drohenden Engpass bekannt“.

Wenn man den gesamten Rems-Murr-Kreis betrachtet, besteht tatsächlich wenig Nachholbedarf. Der Raum Backnang kommt auf einen Versorgungsgrad von 98,6 Prozent, Schorndorf gar auf 108 Prozent. Beim Blick in die Zukunft allerdings bleibt von der angeblichen Überversorgung nicht viel übrig. Landrat Johannes Fuchs verweist auf die Zunahme von hochbetagten Menschen mit häufigen chronischen Erkrankungen. Und: Angesichts des extrem hohen Durchschnittsalters von 54,7 Jahren und „nachdem über 170 der niedergelassenen Haus- und Fachärzte in unserem Landkreis 60 Jahre und älter sind, bedarf es dringend einer vorausschauenden Nachfolgeplanung, die einer Erosion der ambulanten Medizinversorgung im ländlichen Raum vorbeugt.“

Nachwuchssorgen im Kreis Ludwigsburg

Auf dem Papier stellt sich die Lage der Hausärzte im Mittelbereich Ludwigsburg/Kornwestheim rosig dar: Ein Versorgungsgrad von 108,4 Prozent bedeutet, dass hier eigentlich keine Unterversorgung herrscht. Schaut man sich jedoch die Städte Bietigheim-Bissingen und Vaihingen an der Enz an, ist der Hausarztmangel im Landkreis bereits angekommen. In Bietigheim-Bissingen gibt es 20,5 freie Sitze für Hausärzte, für die kein Nachfolger gefunden wird. Und auch in Vaihingen stehen 6,5 Hausarztsitze zur Verfügung. „Ich bekomme es immer wieder mit, dass Hausärzte im Kreis Ludwigsburg keine Nachfolger mehr finden“, sagt Dr. Michael Friederich von der Ärzteschaft Ludwigsburg. Die Ärzte konzentrieren sich auf die dicht besiedelten Teile des Landkreises.

„Vor allem in den kleinen Stadtteilen haben wir ein Problem“, bestätigt Gerd Maisch, Oberbürgermeister von Vaihingen an der Enz. Hausarztpraxen, die den modernen Ansprüchen nicht mehr genügen und beispielsweise nicht barrierefrei sind, würden keine Nachfolger mehr finden. Seit acht Jahren gibt es im Zentrum von Vaihingen ein Ärztehaus, in dem sich Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammengeschlossen haben. „In Zukunft werden sich sicherlich mehrere Ärzte zu größeren Einheiten zusammenschließen“, sagt Maisch. Das Problem des fehlenden Nachwuchses lasse sich jedoch generell nur schwer lösen: „Die Möglichkeiten der Städte für Ärzte zu sorgen, sind beschränkt.“

Exzellente Lage in Böblingen

Die Versorgung mit Hausärzten im Landkreis Böblingen ist quasi optimal. Der Versorgungsgrad liegt, so die statistische Auswertung durch die Kassenärztliche Vereinigung vom Februar dieses Jahres, in Böblingen und Sindelfingen bei 103,3 Prozent. In jenem sogenannten Planungsbereich leben 206 800 Menschen. Die Zahl der Vertragsärzte dort wird mit 115,5 angegeben, die Gesamtzahl der Hausärzte beträgt 126,75. Auf einen Hausarzt kommen 1685 Bürger. Als weitere Mittelbereiche im Landkreis Böblingen gibt es noch Leonberg (98 500 Einwohner) und Herrenberg (65 000 Einwohner). Der Versorgungsgrad in Leonberg liegt bei 106,2 Prozent, in Herrenberg bei 95,7 Prozent.

Kirchheim/Teck als Spitzenreiter

Der Kreis Esslingen gliedert sich in mehrere Planungsbereiche auf – in die Bezirke Esslingen, Nürtingen und Kirchheim. Zwei Städte im Landkreis, nämlich Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt, werden wegen ihrer Nähe zur Landeshauptstadt dem Mittelbereich Stuttgart zugeordnet. Der Versorgungsgrad im Bereich Esslingen (214 700 Einwohner) liegt aktuell bei 94,6. Auf einen Hausarzt kommen 1669 Bürger. Im Bereich Nürtingen (109 300 Einwohner) liegt der Hausärzte-Versorgungsgrad bei 100,4 Prozent. Den Spitzenplatz im Landkreis wie in der gesamten Region erobert der Bezirk Kirchheim unter Teck (106 030 Einwohner) mit einem Versorgungsgrad von 111,1 Prozent.

Die Lage in Göppingen

Im Landkreis Göppingen wird die Hausarzt-Versorgung in die beiden Bereiche Göppingen (192 500 Einwohner) und den deutlich kleineren Bezirk Geislingen (56 300 Einwohner) aufgeteilt. Auch wenn es hier in den vergangenen Jahren Schließungen von Arztpraxen in kleineren Gemeinden gab, so zeigen die Zahlen, dass es aktuell kaum etwas zu beklagen gibt. In Göppingen liegt der Versorgungsgrad bei 96,1 Prozent, die Gesamtzahl der Ärzte liegt bei 111,5, auf einen Arzt kommen 1659 Bürger. Im Bereich Geislingen liegt der Versorgungsgrad bei 97,8 Prozent, die Zahl der Hausärzte wird mit insgesamt 33 angegeben. Auf einen Arzt kommen in Geislingen und Umgebung 1667 Einwohner.