Die Schüler waren aus dem Rathaus in Penzberg per Video ins Schloss Bellevue zugeschaltet. Am Gespräch beteiligt waren (von rechts) die Jugendbuchautorin Kirsten Boie, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Im Gedenken an die Penzberger Mordnacht, in der Ende April 1945 Nazis 16 Menschen hinrichteten, war die Jugendbuchautorin Kirsten Boie zu Gast beim Bundespräsidenten. Zugeschaltet waren Schülern aus Penzberg.

Berlin - Es geschah in unserer Stadt! Was bedeutet es für junge Menschen heute, an einem Ort aufzuwachsen, an dem ein sogenanntes Endzeitverbrechen stattgefunden hat? Penzberg ist ein solcher Ort. In der oberbayerischen Kleinstadt hatten in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945 teils fanatische Hitler-Anhänger 16 Menschen hingerichtet – nur deshalb, weil diese eine friedliche Übergabe ihrer Stadt ohne Sabotage an die amerikanischen Truppen hatten sicherstellen wollen.

Wozu Fanatismus Menschen fähig macht

„Es geschah in unserer Stadt – Erinnerung an die Penzberger Mordnacht vom 28. April 1945“ lautete der Titel einer digitalen Diskussionsveranstaltung, bei der Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender an diesem Montag mit Schülerinnen und Schülern aus Penzberg ins Gespräch kamen. Mit dabei war auch die Jugendbuchautorin Kirsten Boie, die im Schloss Bellevue Passagen aus ihrem Buch „Dunkelnacht“ vortrug. Darin macht sie die Penzberger Geschehnisse aus der Sicht dreier fiktiver Jugendlicher anschaulich und zeigt, wozu Menschen durch Fanatismus und Gruppenzwang, aus Hass und Angst fähig sind. „Dunkelnacht“ wirft außerdem die Frage auf, ob und wie gegen Fanatismus anzukommen ist, auch als Einzelner.

Ein Buch wird Zeitzeuge

Die Auseinandersetzung mit Nazi-Verbrechen sei „schwierig, aber sie ist wichtig“, sagte Steinmeier zu den per Video aus dem Penzberger zugeschalteten Jugendlichen. Wichtig sei, „dass wir den Plädoyers derjenigen, die gerne einen Schlussstrich ziehen wollen, nicht folgen“. Die Schüler zeigten sich erschüttert über das Verbrechen in ihrer Stadt. Kirsten Boies Buch macht für sie deutlich, dass sich ganz normale Menschen an diesen Verbrechen beteiligt hätten. Das Buch sei „ein ewiger Zeitzeuge“.

In der Diskussion, an der auch der Penzberger Bürgermeister Stefan Korpan beteiligt war, ging es vor allem um die Frage, welche Bedeutung die Morde vor 76 Jahren für uns heute haben. Frank-Walter Steinmeier betonte, wie wichtig es sei, sich zu erinnern: An die Verbrechen, aber auch an die Mutigen, die widerstanden hätten. Es sei unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passieren könne. Deshalb sei das Buch „Dunkelnacht“ sehr wertvoll, denn es helfe, die Menschen in dieser Situation besser zu verstehen, es sei ein Plädoyer für Mut und Zivilcourage.

Wächst das Desinteresse an der NS-Zeit?

Die Penzberger Mordnacht gehört zu den oft übersehenen Verbrechen, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs von Deutschen begangen wurden. Ende April 1945 versuchten couragierte Penzberger Bürger, darunter der 1933 aus dem Amt gedrängte Bürgermeister Hans Rummer, der NS-Herrschaft und dem Krieg friedlich ein Ende zu bereiten. Militär aus München und örtliche Nationalsozialisten ermordeten daraufhin 16 Penzberger wenige Tage vor Ende des Krieges. Als Motivation zum Schreiben nannte Kirsten Boie das wachsende Desinteresse an einer Beschäftigung mit der NS-Zeit sowie eine Rückkehr von rechtem Gedankengut in allen Gesellschaftsteilen.