Im vergangenen Jahr ist André Kaiser, der Betreiber des Zirkus Alessio, wegen eines Stromausfalls vom Todesrad gestürzt. Jetzt setzt er verstärkt auf Tiernummern. Foto: Caroline Holowiecki

Plötzlich ging das Licht aus im Zirkuszelt – André Kaiser stürzte aus zwölf Metern Höhe in die Manege. Jetzt gastiert der Circus Alessio erstmals nach dem Unglück vor einem Jahr wieder in Denkendorf. Der Artist erzählt, wie er den Unfall erlebte – und warum der Strom ausfiel.

Kein anderer war schuld. Nur er selbst. Ein bisschen Frieden zumindest bringt diese Erkenntnis André Kaiser. Leichter werden die Gedanken an das, was vor fast genau einem Jahr passiert ist, trotzdem nicht. Es war der 14. November 2022, der den Betreiber des Zirkus Alessio das Leben hätte kosten können. Während einer Show stürzte er vom sogenannten Todesrad, einer Attraktion, bei der zwei Artisten in der Luft in zwei überdimensionalen Hamsterrädern umeinander kreisen. Der Grund für das Unglück: Als der Artist sich gerade am höchsten Punkt befand, zwölf Meter über dem Boden, fiel das Stromaggregat aus und damit das Licht in der Manege. „Ich habe komplett die Orientierung verloren“, erzählt der heute 36-Jährige. „Ich bin noch zwei Schritte gelaufen und dann abgesprungen.“ Kaiser knallte vor ausverkauften Rängen auf den Boden.

 

Artisten arbeiten im Todesrad ohne Sicherung

Der Unfall geschah seinerzeit beim Gastspiel des Zirkus in Denkendorf. Nun, ein Jahr später, ist der Zirkus Alessio mit 40 Mitarbeitenden und 80 Tieren zurück. Seit Kurzem stehen die Zelte und Wagen am Ortsrand Richtung Nellingen. Auch André Kaiser ist wieder da. Seit sieben Jahren führen er und seine Frau das Unternehmen. Kaiser selbst stammt aus einer Zirkusdynastie, die nach seinen Angaben 250 Jahre zurückreicht. Das Todesrad hat das fahrende Volk nicht mehr dabei. Tatsächlich war bereits vor einem Jahr, exakt an dem Tag, als die Panne passierte, der letzte Einsatz der Attraktion gewesen. „So oder so war es der letzte Auftritt“, sagt André Kaiser. Wegen Sicherheitsbedenken wollte der Zirkus Alessio die Nummer aus dem Programm streichen. Kaiser betont: „Diese Darbietung heißt nicht umsonst Todesrad.“ Gesichert seien die Artisten dabei nicht. Weltweit habe der Trick etliche Todesopfer gefordert. „Es ist schon lebensgefährlich“, sagt André Kaiser. Bereits vor dem Sturz in Denkendorf habe er sich einmal in dem Gerät verletzt. Damals sei er mit einer ausgekugelten Schulter davongekommen.

Sohn musste das Unglück mitansehen

Nach dem Unglück 2022 kam André Kaiser ins Krankenhaus. Diagnose: beide Fersen und der rechte Unterschenkel gebrochen. Schlimm sei gewesen, dass auch der heute siebenjährige Sohn Alessio – nach ihm ist der Zirkus bekannt – Papas Unfall mit ansehen musste. „Der Junge war komplett unter Schock.“

André Kaiser berichtet, er selbst habe ebenfalls lang unter dem Erlebten gelitten und Albträume gehabt. „Körperlich habe ich keine Schäden davongetragen, aber geistig“, bekennt er. Zudem habe die Schmach an ihm genagt, dass gerade das letzte Mal auf dem Todesrad missglückt sei. Mehr als 15 Jahre lang sei er zuvor damit aufgetreten und habe Erfolge gefeiert. „Es ist sehr spektakulär, es wird gern gesehen.“

Tier- und Balancenummern statt waghalsiger Artistik

Lange Zeit habe er daher den Wunsch gehegt, noch ein allerletztes Mal aufs Todesrad zu steigen, um das Trauma zu überwinden und einen guten Abschluss zu finden, seiner Familie zuliebe habe er sich jedoch endgültig davon verabschiedet. Der Zirkus Alessio kommt bereits seit Jahren regelmäßig nach Denkendorf. „Wir kennen hier jeden mit Vornamen“, sagt André Kaiser. Entsprechend häufig werde er in dieser Saison auf den Unfall vor einem Jahr angesprochen. Warum das Aggregat in der verhängnisvollen Vorstellung ausgefallen war, weiß André Kaiser mittlerweile. „Ich hatte zu viel um die Ohren und deswegen vergessen, den Stromgenerator zu betanken“, sagt er. Nach dem Motto „Die Show muss weitergehen“ steht der 36-jährige Artist längst wieder in der Manege.

„Wenn man so einen Zirkus betreibt, kann man nicht im Bett liegen“, sagt der Mann mit den muskulösen Oberarmen. Todesmutige Darbietungen zeigt er allerdings nicht mehr, dafür Tier- und Balancenummern. Bei den diesjährigen Weihnachtsshows des Zirkus Alessio in Aalen allerdings wird sich das Todesrad tatsächlich wieder drehen, jedoch wurde dafür ein Künstler aus dem Ausland verpflichtet. André Kaiser selbst steht dafür nicht mehr zur Verfügung, wie er sagt. Zweimal sei bereits etwas passiert, ein drittes Mal wolle er das Schicksal nicht herausfordern. „Ich bin dankbar, dass ich überhaupt noch hier sitze.“

Zirkus gastiert bis 19. November in Denkendorf

Vorstellungen
 Noch bis Sonntag, 19. November, gastiert der Zirkus Alessio in Denkendorf. Zu finden ist er an der Albstraße beim Lidl-Markt. Die Vorstellungen starten freitags, samstags und montags um 16 Uhr, samstags zusätzlich um 19 Uhr, darüber hinaus an Sonntagen um 14 Uhr.

Kontakt
 Informationen zu Eintrittspreisen und Sonderkonditionen gibt es auf der Facebook-Seite „Circus Alessio“ oder unter der Telefonnummer 01 74 / 8 18 78 21. Tickets sind ab 45 Minuten vor jeder Show direkt an der Kasse gegen Barzahlung erhältlich, außerdem über Eventim. Nach dem Gastspiel in Denkendorf zieht die Zirkusfamilie weiter nach Aalen und zeigt dort ein Weihnachtsprogramm.