Was passierte damals im Sanatorium im Schwarzwald wirklich? Foto: ZDF/Stefan Spreer

Nur der Schneemann war Zeuge: Der ZDF-Zweiteiler „Schneekind – Ein Schwarzwaldkrimi“ führt in die Abgründe der „Kinderverschickung“ vor vierzig Jahren.

In den letzten Jahren sind viele Tatsachen über furchtbare Kinderschicksale publik geworden. Meist ging es dabei um Missbrauch. Fernsehfilme können eine Menge zur Aufarbeitung dieser Erfahrungen beitragen, weil sie in der Regel ein größeres Publikum erreichen als Dokumentationen.

Elend der „Kinderverschickung“

So haben zum Beispiel viele Menschen dank des Dramas „Und alle haben geschwiegen“ (2013, ZDF) erstmals von der verdrängten Geschichte misshandelter deutscher Heimkinder in den Sechzigerjahren erfahren; „Die Auserwählten“ (2014, ARD) behandelte den jahrelangen Missbrauch der Odenwaldschüler in den Siebzigern. Noch nicht gründlich aufgearbeitet ist dagegen das Elend der „Verschickungskinder“, die unter anderem im Schwarzwald in den Nachkriegsjahrzehnten bis in die Siebziger im Rahmen sogenannter Kinderkuren Opfer von schwarzer Pädagogik, Misshandlungen und Medikamententests wurden.

Traumatische Erinnerungen

Produzentin Annette Reeker, die unter ihrem Schreibpseudonym Anna Tebbe auch Autorin der ZDF-„Taunuskrimis“ war, hat die erschütternden Fakten für den dritten „Schwarzwaldkrimi“ als fesselnde Rachegeschichte konzipiert. Dramaturgisch klug integrierte Rückblenden illustrieren die traumatischen Erinnerungen der Betroffenen.

All das liegt zunächst jedoch noch in weiter Ferne, als eine Jägerin im Wald einen Schneemann entdeckt, der eine tiefgefrorene männliche Leiche zu bewachen scheint; und das mitten im Frühling. Kurz drauf wird unter ganz ähnlichen Umständen eine Tote auf einem Kinderkarussell entdeckt; auch diesmal ist der Schneemann nicht weit. Einen ersten Hinweis zur Lösung bekommt Kommissarin Bächle (Jessica Schwarz) von ihrem Vater (Daniel Friedrich), der ihr die Legende vom Schneekind erzählt: Als ein Mann nach langer Abwesenheit heimkehrte, erklärte ihm seine mittlerweile Mutter gewordene Frau, sie habe das Kind im Schnee gefunden. Bächle und ihr Kollege Diener (Max von Thun) brauchen eine Weil, bis sie erkennen, dass sie die Antworten auf ihre vielen Fragen in den frühen Achtzigern finden.

Historische Informationen beiläufig integriert

Wie schon zuletzt beim zweiten ZDF-„Schwarzwaldkrimi“ („Waldgericht“, 2021) erzielen Autorin Tebbe und Regisseur Marcus O. Rosenmüller Spannung durch den persönlichen Bezug ihrer weiblichen Hauptfigur: Maris Bächle hat sich in den Stadtarchivar (David Zimmerschied) verliebt, aber der ist möglicherweise ebenso in die Sache verwickelt wie der Reproduktionsmediziner Florentin Sneelin (Florian Stetter).

Die historischen Informationen sind beiläufig, aber optisch sehr beeindruckend in die Handlung integriert. Die Rückblenden zeigen, wie die Kinder nicht nur vom ärztlichen Leiter (Sven Gerhardt) und der Erzieherin (Brigitte Zeh), sondern auch von Gleichaltrigen drangsaliert worden sind. Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, werden die entsprechenden Szenen nur schwer aushalten.

Viele Redundanzen

Der erste Teil ist dank der vielen Fragen und der daraus resultierenden Rätselhaftigkeit fesselnd. Dieses Spannungsniveau kann Rosenmöller, der nicht nur die beiden anderen Schwarzwaldkrimis, sondern auch die meisten „Taunuskrimis“ inszeniert hat, im zweiten Film („Eisheilige“) allerdings nicht halten. Das liegt auch an den häufigen Redundanzen: Weil Bächle und Diener oft allein ermitteln, müssen sie sich regelmäßig gegenseitig die Zusammenhänge erläutern und dabei Dinge erzählen, die das Publikum entweder bereits in Teil eins oder gar erst kurz zuvor mit eigenen Augen gesehen hat.

Schneekind: ZDF, 2. und 3. Januar, jeweils um 20.15 Uhr, und in der ZDF-Mediathek