Für „Bier Royal“ standen die Achtziger-Serienerfolge „Kir Royal“ und „Das Erbe der Guldenburgs“ Pate. Damit liegt die Latte für den Komödien-Zweiteiler ziemlich hoch. Zu hoch?
Stuttgart - Die Achtziger, Ältere erinnern sich, waren eine Zeit spürbarer Bewegung am Fernsehbildschirm. Seinerzeit wälzten „Lindenstraße“, „Drombuschs“ oder auch Edgar Reitz‘ „Heimat“ das mittelständische TV-Epos mit soziokulturellem Problembewusstsein und ungewohnt starken Frauenfiguren um, bevor sich das Genre mit Humor und Grandezza aufs oberste Einkommensplateau wagte. Die höheren sozialen Schichten erstrahlten besonders im Lichtkegel zweier Serien: „Das Erbe der Guldenburgs“ und „Kir Royal“.
Ein paar TV-Revolutionen später strampelt sich das alte Leitmedium Fernsehen noch immer an deren Einfluss ab. Kein Wunder, dass es gelegentlich auf Plagiate setzt und sich dessen nicht mal schämt. Der ZDF-Zweiteiler „Bier Royal“ (28. und 30. Januar, 20.15 Uhr) trägt Helmut Dietls Schicki-Micki-München offensiv im Titel und paart ihn mit dem spröderen Glamour der holsteinischen Brauereidynastie der Guldenburgs von 1987. Statt Schampus-Cocktail Gerstensaft, statt Guldenburg-Pilsener Arnulf-Bräu – gut kopiert, könnte man meinen, ist schließlich besser als schlecht ausgedacht. Nur: So einfach ist es nicht.
Dallas lässt grüßen
Am Anfang von „Bier Royal“ steht zwar wie 32 Jahre zuvor der Tod des Patriarchen – hier ein Franz-Xaver Hofstetter, der den Familienbetrieb zum Bierkonzern gemacht hat und seine Sippschaft zu Fixsternen der Münchner Bussi-Gesellschaft. Wie bei den Guldenburgs beginnen die Hinterbliebenen fortan mit harten Bandagen ums milliardenschwere Vermächtnis zu kämpfen. Und wie Gisela Schneeberger dies als herrlich großkopferte Mehrheitsaktionärin im Ringen mit der aufmüpfigen Stieftochter Vicky (Lisa Maria Potthoff) macht – das ist bisweilen Fernsehgroteske auf durchaus dietlhaftem Dallas-Niveau.
Dummerweise war es das aber auch schon mit den Lorbeeren. Denn so sehr sich die Regisseurin Christiane Balthasar („Kommissarin Heller“) müht, den hinreißenden Zynismus von „Kir Royal“ mit der guldenburgschen Familienfehde zu verschmelzen, so platt geraten die meisten Charaktere, Dialoge, Intrigen im ulkigen Tuba-Sound von Johannes Kobilke. Vickys amerikanischer Ehemann Dan Dawson zum Beispiel ist schon wegen seiner Besetzung mit dem Südtiroler Michael Klammer so unglaubhaft wie Vickys Halbbruder Patrick, dem der ortsansässige Residenz-Theaterstar Franz Pätzold eine stereotype Grufti-Freakigkeit verpassen muss, wie sie nur öffentlich-rechtlicher Betulichkeit entspringen kann.
Emanzipatorische Tiefe? Fehlanzeige!
Selbst der famose Satiriker Robert Palfrader schmiert als Giselas windiger Geschäftsführer von der Satire ab in den Klamauk, wo er auf Marianne Sägebrecht trifft, deren gealtertes Kindermädchen Rosa von ähnlicher Drolligkeit ist wie ihr Dackel Kneißl, den sie irgendwann tot in der Handtasche Gassi führt. Diese drei Stunden Primetime-Unterhaltung reichen daher wenig an die Vorbilder heran – und das will bei der Häme, die einst aufs „Erbe der Guldenburgs“ einprasselte, schon was heißen.
Umso mehr muss man betonen, wie zeitgemäß „Bier Royal“ strukturell wäre. Wohnungsnot, Bodenspekulation, Vetternwirtschaft haben auch die reale Landeshauptstadt München fest im Griff. Themen, die von weiblichen Hauptfiguren bis hin zur Oberbürgermeisterin verkörpert werden, denen Carolin Otto das Drehbuch geschrieben hat. Weiblicher war ein Team selten in einem Stoff jenseits der seichten Sujets Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Doch Weiblichkeit allein ist noch lange kein Beleg emanzipatorischer Tiefe, was sich zeigt, wenn etwa Ulrike Kriener als Lokaljournalistin Renate Rottmann bei der Jagd nach Skandalen Geschlechterzoten mit ihrem Chefredakteur austauscht und dabei unglaubhafter agiert als Benjamin Blümchens Karla Kolumna.
Dabei läge hier der Keim kluger Unterhaltung mit Biss: „Bier Royal“ heißt ja auch die Kolumne der „Roten Renate“ übers Getränke-Imperium nebenan. Als boshaft-reale Anthologie nationaler Brauerei-Standorte von Flensburg über Dortmund bis München – gern gedreht vom Österreicher David Schalko („Altes Geld“) – hätte „Bier Royal“ also großes Fernsehen werden können. Als Blödel-Zweiteiler ist die ZDF-Produktion allenfalls nett.