Jan Böhmermann gratuliert Stuttgart zum neuen Oberbürgermeister Frank Nopper. Ob er das so richtig ernst meint? Foto: ZDF/Screenshot

Kaum wählt man einen neuen Oberbürgermeister, ist man Satirematerial: Jan Böhmermann hat in der ziemlich tollen neuesten Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ über Stuttgart gelästert. Aber er hatte sogar noch größere Themen.

Stuttgart - Autoexperten, mal Hand aufs Herz: War das jetzt ein Lob? Stuttgart hat von Jan Böhmermann in der jüngsten Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ einen neuen Stadtmarketing-Slogan verpasst bekommen: „Eine Stadt, so schön wie zwei ineinander verkeilte Porsche Cayenne“. Schwungvoll hingesagt. Aber es bleibt ein Restverdacht, das könnte doch nicht durch und durch freundlich gemeint gewesen sein. Sondern eine Watschn.

Die Aufmerksamkeit von Deutschlands quirligstem TV-Satiriker hat sich die Großstadt zwischen Stau und Reben durch ihren neu gewählten Oberbürgermeister Frank Nopper verdient. Vor allem, dass Noppers Ehefrau Knigge-Unterricht für Kids anbietet, hat es Böhmermann angetan. Gudrun Weichselgartner-Nopper– laut Böhmermann „die Melania vom Neckar“ – dient dem Satiriker als Inbegriff einer konservativen Wende: „Da kann der Stuttgarter Aktionärsadel die Prenzlauer-Berg-Bewohner von morgen dann hinschicken“, lästert er über Benimmschule und Halbhöhe und zeigt genüsslich Kinder beim korrekten Serviettenfalten.

Irgendwie hat man den Eindruck, dass Stuttgart nicht das letzte Mal in „ZDF Magazin Royale“ aufgetaucht sein dürfte. Schon die Anmoderation „ganz kurz zum ZDF Magazin Regional“ klingt schwer nach Rubrik.

Brillant und schnöselig

Dass Böhmi, wie die Fans ihn nennen, schwer in Fahrt ist, sollten Frank Noppers Anhänger aber noch nicht als endgültigen Beweis werten, sie hätten den richtigen Mann gewählt, um auch die Stadt in Schwung zu bringen. Böhmermann moderiert, spottet und verflucht sowieso wie beflügelt, seit er ins ZDF-Hauptprogramm wechseln durfte.

Zu seiner Bühnenperson gehören Arroganz, Snobismus, Rücksichtslosigkeit, kurzum, das Selbstbewusstsein, auf dem einen Ende einer Wippe sitzen und Millionen Zuschauer auf dem anderen Ende in die Höhe lupfen zu können. In dieser Pose muss man brillant sein, sonst wird man unangenehm, und im „Neo Magazin Royale“ pendelte Böhmermann zwischen Brillanz und Schnöseligkeit im Leerlauf. Vielleicht war das die Frustration, Jahr um Jahr im Spartensender festzusitzen, also trotz erwiesener Praxistauglichkeit immer noch eine Runde im Testlabor drehen zu müssen. Im Hauptprogramm liefert er jetzt jedenfalls ganz groß ab.

Akrobatik mit dem Spielbein

Böhmermanns Flinkheit geht über den flotten Spielbein-Standbein-Wechsel hinaus. Wenn er wirklich im Gag-Flow ist, dann wirkt das eher wie ein Spielbein-Spielbein-Wechsel, eine Akrobatik, bei der nix schiefgehen darf, jede Betonung sitzen muss und die kleinste falsche Pause übel auffallen würde. Ja, Böhmermann orientiert sich da an amerikanischen Vorbildern, an John Oliver vor allem – so wie Harald Schmidt einst Teile seines Late-Night-Auftretens von David Letterman und später von Jon Stewart geborgt hatte. Aber Böhmermann kann es eben auch, und er bringt genügend eigene Persönlichkeit mit, um sich das Lernen von Kollegen leisten zu können.

Was Böhmermann mit den aktuellen US-Satireshows vor allem verbindet, ist sein aufklärerisch-journalistischer Ansatz: Ablachen lassen ist als Ziel nicht mehr gut genug, es geht ums Augenöffnen. In der aktuellen Sendung hat Böhmermann das Rassismus-Problem bei der Polizei aufgegriffen, und auch wenn er dicht an dicht Beispiele für Übergriffe brachte, stellte er die Polizei eben nicht per se als Truppe von Neonazis dar. Seine Attacke war sehr viel differenzierter: Es gibt braune Flecken in Deutschlands Polizei, und strukturelle und mentale Defizite, die eine korrekte Wahrnehmung, Eindämmung und Lösung des Problems verhindern.

Zündender Clip

Zugegeben, ein bisschen gerät Böhmermann da in Gefahr, zu predigen. Aber wer die halbstündige Sendung bis zu Ende schaut, wird dann mit einem seiner oft begnadeten Musikvideos belohnt. Diesmal schlüpft er wieder in die Rolle des Rappers Polizistensohn und mischt die Ansätze, dass einem fröhlich schwindlig wird: Er veräppelt die Posen und Klischees der Gangsta-Rapper und nutzt sie zugleich in Vollendung zum Blick von unten auf die Staatsmacht. Er disst die einen Polizisten und nimmt die anderen in Schutz, er prangert Korruption an und feiert die Möglichkeiten in unserem System, gegen Korruption kämpfen zu können. Das alles in einem furiosen Clip, der sogar auf Schulhöfen zünden müsste. Da kann man im Rathaus jetzt schon zittern beim Gedanken, Böhmermann könnte auch mal einen Stuttgart-Song entwerfen.