Die Häuser der Inselsiedlung haben größere Balkone bekommen. Foto: Michael Steinert

Seit fünf Jahren modernisiert die SWSG die Häuser an beiden Seiten der Geislinger Straße in Wangen, immer unter den strengen Augen der Denkmalschutzbehörde.

Wangen - Mittelalterliche Fachwerkhäuser, Jugendstilvillen oder gotische Kirchen kommen einem beim Thema Denkmalschutz sofort in den Sinn. Um hinter den rot-braunen Häuserfassaden der Wangener Inselsiedlung ein schützenswertes Kulturgut zu erkennen, muss man schon etwas genauer hinschauen. Aber es stimmt. Die zehn Wohnblöcke zwischen Geislinger, Ebersbacher- und Inselstraße stehen unter Denkmalschutz. Zu Recht, findet Helmuth Caesar. Er ist technischer Geschäftsführer der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG).

Seit fünf Jahren modernisiert die SWSG die Arbeitersiedlung aus den 1920-er Jahren, immer unter den strengen Augen der Denkmalschutzbehörde. Doch was ist an den akkurat in Reih und Glied stehenden Wohnblöcken so besonders? Sie repräsentieren den für die 1920-er Jahre typischen „Baustil der neuen Sachlichkeit“, erklärt der Architekt Caesar. In der Weimarer Republik habe es eine echte Wohnungspolitik gegeben. „Die Unruhen sollten nicht schon von der schlechten Wohnraumsituation ausgehen.“

Kein Stuck unter der Decke

Deshalb sind die meisten der 383 Wohnungen auch verhältnismäßig klein. Man wollte eben so viel Wohnraum wie möglich schaffen. Außerdem verzichteten die Bauherren der damaligen Zeit, im Falle der Inselsiedlung das städtische Hochbauamt, auf kostspielige Schnörkeleien. Statt aufwendigem Stuck unter der Decke wurde jede Wohnung mit einem eigenen Badezimmer ausgestattet. Das Credo der Architekten lautete „Licht, Luft und Sonne“. Sie sorgten dafür, dass die dunklen Hinterhöfe der Vergangenheit angehörten, weitläufige Grünflächen zwischen den Gebäuden angelegt wurden und jede Wohnung ihren eigenen kleinen Balkon bekam. „Das waren damals extrem moderne Wohnungen“, erklärt Caesar.

Mit den heutigen Maßstäben können sie aber nicht mehr mithalten. Die Isolierung ist schlecht, die großen Rasenflächen werden nicht genutzt und eine Dreizimmerwohnung mit gerade mal 50 Quadratmetern ist den meisten Mietern zu klein. Deswegen modernisiert die SWSG die komplette Inselsiedlung, 2016 sollen die rund 40 Millionen Euro teuren Arbeiten abgeschlossen sein.

Im Erdgeschoss wurden Gärten angelegt

Fast die Hälfte der Wohnblöcke ist jetzt schon saniert. Die Verbreiterung der Balkone und die Wärme- und Schalldämmung waren besondere Herausforderungen. Die ursprüngliche Außenfassade musste nachgebaut werden, jeder kleine Vorsprung an exakt der gleichen Stelle und in der gleichen Größe und Form. Viele Wohnungen wurden vergrößert, für die Mieter im Erdgeschoss wurden Gärten angelegt. So will die SWSG neben den typischen Stadtbewohnern, jungen Singles und alten Menschen, auch Familien in die Wohnblöcke locken. „Das stabilisiert die Siedlung“, meint Caesar. Die Häuser wurden aber nicht nur modernisiert, sondern auch weitgehend in ihren Ursprungszustand zurückversetzt.

Die rote Farbe, die der Laie häufig fälschlicherweise den typischen Nachkriegsbauten zuordnet, ist einem freundlichen Weiß gewichen. So sahen die Häuser auch in den 1920-er Jahren aus. Die Siedlung habe ein bisschen im „Dornröschenschlaf“ gelegen, meint Caesar. Vielen Stuttgartern sei gar nicht bewusst, wie alt sie ist. Fürs „Wachküssen“ wurde der SWSG auf der Internationalen Fachmesse Deubau in Essen der Deutsche Bauherrenpreis verliehen. Geschäftsführer Caesar räumt aber auch ein, dass die Wohnungen nach der Sanierung teurer sind. Der Quadratmetermietpreis liegt dann bei etwa 8,60 Euro. Viele Mieter können oder wollen sich diese Mieterhöhung nicht leisten und ziehen aus.