Hermann Maier stürzt bei der Abfahrt in Nagano Foto: dpa

Der Fernseher zeigte seit Tagen nur Schnee.  "Die Abfahrt der Herren muss leider verschoben werden."

Es war morgens um vier, ich war hundemüde und konnte die Japaner schon nicht mehr leiden. Der Fernseher zeigte seit Tagen mehr Schnee als ein Mensch ertragen kann. Und ein Reporter entschuldigte sich leicht genervt: "Die Abfahrt der Herren muss leider verschoben werden." Schon wieder!

Keine Ahnung, wer die Schnapsidee hatte, die Olympischen Winterspiele 1998 nach Nagano zu vergeben. Kein Schimmer, wer den Quatsch mit dem Land der aufgehenden Sonne verzapft hat. Jedenfalls war er deppert. Denn so ziemlich kein einziger alpiner Ski-Wettbewerb konnte an dem Tag stattfinden, an dem er geplant war. Es schneite in Nagano. Und wenn es schneite, musste immer alles verschoben werden. Die Kombinations-Abfahrt, die klassische Abfahrt, dann die wieder klassische Abfahrt . . .

Dann kam der 13. Februar 1998, und irgendwer hatte am Knopf mit dem Wetter gespielt. Strahlend blauer Himmel, ideale Pistenverhältnisse. Kaum zu glauben, die Abfahrt der Herren wurde pünktlich gestartet. Für mich stellte sich eigentlich nur die Frage, mit welchem Vorsprung Hermann Maier zu Gold fahren würde.

Er hat mich nicht enttäuscht: Schon 18 Sekunden nach dem Start flog die Nummer vier aus Österreich quer durchs Bild. Ein bisschen gewagt vielleicht, wie ich fand: Vier Meter hoch, den Kopf nach unten, die Skier gen Himmel gerichtet. Er schlug ein, trennte sich von seinem Sportgerät, durchbrach rittlings den ersten Sicherheitszaun, überschlug sich und wurde vom zweiten Zaun in die Luft katapultiert. Ein paar Überschläge noch im Tiefschnee, dann war es merkwürdig still.

Ich schrie: "Sch . . . und oh, mein Gott", und kann mich nicht erinnern, morgens um vier jemals so wach gewesen zu sein. Da! Maier regte sich, schüttelte den Schnee aus dem Nacken, testete Beine und Arme. Dann blickte er irritiert, so, als wolle er fragen: Jessas, bin ich noch bei Olympia oder schon im Himmel? Drei Tage später holte der gelernte Maurer aus Flachau Gold im Super-G, dann auch noch Gold im Riesenslalom. Es gibt Menschen, die zum Helden geboren sind.

Später hat der Herminator erzählt, dass es sehr leise gewesen sei in seinem Helm, was für starken Rückenwind sprach. Er war schneller unterwegs als gedacht, er hatte die Kante an Tor sechs gefährlich unter-, und sich selbst gewaltig überschätzt. "Ich war ein bisschen größenwahnsinnig", verriet er.

Am 13. Oktober 2009 hat einer der größten Skirennfahrer aller Zeiten seine Karriere beendet. Ich wäre gerne noch einmal für ihn aufgestanden.