Haben bei der WM viel vor: Jana Jana Berezko-Marggrander (links) und Laura Jung Foto: Baumann

Reich wird eine Gymnastin in Deutschland durch ihren Sport nicht. Für die beiden deutschen Einzelstarterinnen Laura Jung und Jana Berezko-Marggrander zählt in dieser Woche dennoch nur die Rhythmische Sportgymnastik und der Erfolg bei der WM in Stuttgart.

Stuttgart - So haben die beiden die Porsche-Arena noch nie gesehen. In der Mitte eine Turnmatte mit einer blauen Umrandung, drum herum Sitzplätze für 5000 Zuschauer und an der Wand ein riesiges WM-Plakat. „Wahnsinn, wie groß die Halle wirkt“, staunt Jana Berezko-Marggrander. „Wir sind einfach begeistert“, ergänzt Laura Jung. An diesem Montag beginnt die Weltmeisterschaft in der Rhythmischen Sportgymnastik in Stuttgart und die beiden deutschen Einzelstarterinnen haben ein großes Ziel: Die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016. Das gehen sie jedoch völlig unterschiedlich an. Eine Übersicht:

Jana Berezko-Marggrander:

In ihrem Leben musste die 19-Jährige schon einige Herausforderungen meistern. Zum Beispiel 2007, als sie aus dem russischen Toljatti nach Deutschland kam. Schnell zog sie ins Internat nach Fellbach-Schmiden. Ohne Eltern, ohne Deutsch zu sprechen. „Das war eine harte Zeit“, erzählt sie. Sie hat es hinbekommen. Genauso wie ihre Grundausbildung bei der Bundeswehr. Seit ein paar Monaten ist Berezko-Marggrander Sportsoldatin. „Das haben mir nicht viele zugetraut.“ Ein bisschen Stolz schwingt mit, wenn sie davon spricht.

Erste-Hilfe-Kurs, Schießausbildung und Märsche über 15 bis 20 Kilometer. Mit Rucksäcken, die 15 Kilogramm und mehr wiegen. „Das war das härteste für mich“, sagt Berezko-Marggrander, die vor Wettkämpfen selbst nur 52 Kilogramm auf die Waage bringt. Auch das hat sie geschafft. Und sie kann sich sogar vorstellen bei der Bundeswehr zu bleiben. „Dort hat man gute Möglichkeiten, was Ausbildung und Studium betrifft“, sagt sie. Doch eigentlich will sie noch gar nicht daran denken, wie lange sie noch auf der Turnmatte stehen wird. Denn zunächst zählt nur die Heim-WM in Stuttgart und die Qualifikation für die Olympischen Spiele in einem Jahr in Rio.

Dort hinzukommen, wird nicht einfach. Maximal zwei Startplätze kann sich eine Nation sichern, aber nur wenn zwei Gymnastinnen bei der WM unter die besten 15 im Mehrkampffinale kommen. Das ist die einzige Möglichkeit, um zwei Gymnastinnen nach Rio zu schicken. Erreicht keine der beiden Deutschen eine Top-Platzierung, kann eine noch bei einem Testwettkampf 2016 um die Quali kämpfen, wenn sie bei der WM Platz 16 bis 38 belegt. „Ich will es schon in Stuttgart schaffen“, sagt Berezko-Marggrander. „Ich bin gut vorbereitet und werde mein Bestes geben. Ich weiß, dass ich es schaffen kann.“

Laura Jung:

Laura Jung ist bei ihrer Zielformulierung für die WM etwas zurückhaltender. „Ich würde gerne am Freitag noch einmal turnen“, sagt sie. Im Mehrkampffinale mit den 24 besten Gymnastinnen. Rio – das ist zwar auch ihr Ziel, „aber ich gehe das etappenweise an.“

Bei der WM setzt Jung vor allem auf das Publikum. „Das ist ein extremes Hilfsmittel für mich.“ Dementsprechend hat sie auch ihre Musik ausgewählt. David Garrett mit Music zum Beispiel für die Reifen-Kür und ein Lied aus dem Film Matrix für ihren Auftritt mit dem Band. „Die Zuschauer gehen dabei voll mit.“ Diese Unterstützung kann sie gebrauchen. Zuletzt plagte Jung eine Rückenverletzung, für das Training war das nicht optimal. „Aber das ist ausgestanden. Wir haben ein paar Dinge umgestellt, damit der Rücken entlastet wird.“

Rio 2016 ist vermutlich ihre letzte Chance, doch noch einmal Olympische Spiele als Sportlerin zu erleben. „Ich werde nicht jünger und kann den Sport nicht ewig machen“, sagt die 20-Jährige. Parallel zu ihrer Karriere auf der Turnmatte absolviert sie zurzeit einen Bundesfreiwilligendienst beim Schwäbischen Turnerbund. „Ich organisiere mit und turne mit“, sagt Jung und muss lachen. Dem Sport will sie auch nach ihrer Karriere treu bleiben. In welcher Funktion auch immer, denn ein Leben ohne kann sich die gebürtige Saarländerin nicht vorstellen. Mit sechs Jahren hat sie mit der Sportgymnastik begonnen, mit zwölf zog sie Zuhause aus, um im Internat in Schmiden beste Bedingungen zu haben. Nun will sie „bei der WM allen zeigen, was ich kann“.