Junge und Alte malen im wahrsten Sinne des Wortes gemeinsam. Foto: Gottfried Stoppel

Wenn die Worte fehlen, dann hilft oft ein Griff zum Pinsel. Das Projekt „Kunststück Demenz“ bringt junge und alte Maler zusammen und weckt alte Erinnerungen.

Winnenden - Wenn die Worte fehlen, dann hilft der Griff zum Pinsel. Die Schülerin Meike und ihr betagter Malpartner führen ihn gerade zum Ausspülen ins Wasserglas – denn sie haben beschlossen, dass sie die Farbe wechseln wollen: Gelb statt Rot ist die Devise. Gleich darauf lässt der Senior den Pinsel im gelben Töpfchen kreisen, Meike unterstützt ihn dabei, in dem sie seine Hand führt.

Teamwork gehört dazu bei der Malgruppe, die sich einmal in der Woche im Haus im Schelmenholz in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) trifft. „Kunststück Demenz“ heißt das Projekt, in dem Achtklässler des Georg-Büchner-Gymnasiums gemeinsam mit Bewohnern des Altenheims in Farben schwelgen. „Wenn die Sprache reduziert ist, dann ist das Malen eine gute Möglichkeit, sich auszudrücken“, sagt Waltraud Kischel vom Haus im Schelmenholz. Gerade bei an Demenz Erkrankten sei „die Innenschau oft verkümmert“, Farben könnten so manches wecken. Anfangs gehen die Maler oft zaghaft an die Sache heran, hat Kischel beobachtet: „Doch mit der Zeit erobern sie das ganze Blatt.“

Blumenmotive wecken Erinnerungen

Waltraud Kaiser, die an der Kunstschule Winnenden unterrichtet, hilft dabei. Sie leitet das Projekt, das Alte und Junge zusammenbringt. Ein Schuljahr lang kommen die Jugendlichen jede Woche in das Seniorenheim, holen ihre Malpartner auf dem Zimmer ab und begleiten sie zum großen Tisch im ersten Stock, wo Pinsel, Farben und Papier bereitliegen. Die Aquarellfarben seien mit mineralischen Pigmenten gefärbt, erklärt Kaiser: „Denn es kommt schon ab und zu vor, dass der Pinsel in den Mund wandert.“ Zu jedem Treffen bringt die Kunstlehrerin ein Bild als Inspirationsquelle für die Maler mit. Meistens sind es Blumenmotive. „Pflanzen öffnen immer wieder ein Erinnerungsfenster, denn viele Senioren hatten einen Garten.“

Elsa Rilling hat neben ihrem noch fast weißen Blatt eine Vorlage mit roten Tulpen liegen. Die 91-Jährige erzählt, sie habe früher eigentlich nie gezeichnet – nun aber tut sie es. „Dass junge Leute ins Haus kommen, finde ich gut“, sagt die alte Dame, die den Pinsel noch gut alleine führen kann. Das wöchentliche Treffen sei eine schöne Sache, um Zeit zu verbringen und unter die Leute zu kommen, sagt die Seniorin, die auch im Heimbeirat aktiv ist, und skizziert nebenbei schon mal die Blütenblätter einer Tulpe.

Ihre Tischnachbarin schräg gegenüber lässt malen – sie hat heute keine Lust. „Man muss sich jedes Mal neu auf die Leute einstellen“, sagt Waltraud Kaiser, „die Senioren sind nicht immer gleich gut drauf.“ Die Malerei habe aber erstaunliche Wirkung, sagt Peter Hettig, der Direktor des Altenheims: „Selbst relativ rastlose Menschen finden dabei Ruhe“ – und die Erkenntnis: „Ich kann noch was.“

„Das Projekt hat mir gleich zugesagt“, erzählt die 13-jährige Meike: „Obwohl ich nicht so recht wusste, was auf mich zukommt. Aber es war eine sehr positive Überraschung.“ Ihr Malpartner kommt bei der Frage nach seinem Alter ins Grübeln: „Das kann ich nicht genau sagen“, sagt er nachdenklich. Seine Lieblingsfarbe aber nennt er prompt: „Blau.“ Zwei Kunstwerke haben er und Meike zu Papier gebracht. Die zwei sind sich einig: „Das haben wir gut gemacht.“

Zeit für ein Tässchen Kaffee. Meike hakt den älteren Herrn unter und bringt ihn in die Cafeteria. „Da entstehen oft ganz liebevolle Beziehungen“, sagt Waltraud Kaiser.