Am 5. August feiert Willi Mast sein 40-Jahr-Jubiläum als Busfahrer der Stuttgarter Kickers. Der 73-Jährige ist aber weit mehr als der Kilometerfresser der Blauen. Er ist Unikum, gute Seele, väterlicher Freund. In seinem Rückblick verrät er auch, was er an Jürgen Klinsmann schätzte.
Ein lockerer Spruch hier, ein freundschaftlicher Klaps oder eine väterliche Umarmung mit den Spielern dort: Wer Willi Mast auf dem Gelände der Stuttgarter Kickers begegnet, der spürt: Der Umgang ist ausgesprochen herzlich. Vieles hat sich in den 40 Jahren, in denen er den Mannschaftsbus der Blauen lenkt, geändert, seine Beliebtheit ist geblieben. „Mir macht es einfach Spaß, Teil der Kickers-Familie zu sein, und der Umgang mit den Spielern hält mich auch jung“, sagt die treue Seele.
Im Oktober wird er 74
Am 7. Oktober wird er 74 Jahre alt. Und eigentlich wollte der gelernte Bäcker, der später bei Daimler in der Materialwirtschaft arbeitete, nach der vergangenen Saison aufhören. Zumal es schlechtere Zeitpunkte gibt, als mit dem Aufstieg das Steuer aus der Hand zu geben. Doch dann kam eine Nachricht, die einen Sinneswandel auslöste: Die Aussicht auf ein nagelneues MAN-Gefährt im Kickers-Design – nach rund sieben Jahren ohne eigenen Bus. „Das würde mich natürlich schon ungemein reizen“, sagt Mast vor dem Regionalligastart an diesem Freitag (20 Uhr) bei Kickers Offenbach. Zumal der verheiratete Vater von drei Kindern und vier Enkelkindern gesundheitlich topfit ist. Erst vor kurzem hat er seinen Führerschein für die Fahrgastbeförderung verlängert bekommen, nach umfangreichen Tests für die Augen und die Geschicklichkeit.
Am 5. August 1983 steuerte er erstmals den Mannschaftsbus der Blauen. Einen Tag später setzte es in der zweiten Liga ein 0:3 bei Hessen Kassel. Mit im Kader des damaligen Trainers Horst Buhtz: Jürgen Klinsmann. „Er war einer der Stimmungskanonen und hat nach Siegen im Bus meistens als Erster ein Liedchen angestimmt“, erinnert sich Mast und ergänzt: „Früher war es schon etwas lustiger. Da ist man nach den Spielen immer noch zusammengesessen. Heute läuft man einmal durch den Bus – und schon sind alle weg.“
Sitzstreiks und Staus
Seine längste Fahrt führte den aus Bondorf stammenden und jetzt in Gäufelden-Öschelbronn lebenden Kickers-Chauffeur zu Bundesligazeiten zu einem Intertoto-Cup-Spiel nach Stockholm. „Nach 25 Jahren hatte ich schon die eine Million Kilometer überschritten.“ Viel hat er erlebt. Es gab Sitzstreiks der Fans vor dem Bus – im Mai 2016 nach dem 0:3 bei Werder Bremen II und nach dem verpassten Regionalliga-Aufstieg bei Bayern Alzenau im Juni 2019. Aber auch anders geartete Aufreger: 1991 waren die Kickers im entscheidenden Relegationsspiel zur Bundesliga gegen den FC St. Pauli (3:1) erst 40 Minuten vor dem Anpfiff – eskortiert von der Polizei – in Gelsenkirchen angekommen. Die Kickers-Konstante traf keine Schuld, der Stau war nicht vorhersehbar.
Ein weiteres Mal hat nicht viel gefehlt, und der Anstoß wäre verpasst worden. Auf dem Weg zum Auswärtsspiel in Leverkusen im April 1989 (3:1) war auf Höhe Oberhausen auf der Autobahn der Gaszug gerissen. Der damalige Geschäftsführer Rainer Trost lieh Mast sein Handy. „Mit dem Telefon am Ohr lag ich auf dem Standstreifen unter dem Bus und habe nach den Anweisungen eines Mechanikers den Ersatz-Gaszug eingebaut“, erinnert sich Mast.
Streifzüge durch Köln
Lustiger ging es da schon bei nächtlichen Streifzügen durch Köln zu. „Bei Spielen gegen die Fortuna hatten wir immer das gleiche Hotel“, blickt Mast zurück, „der Hotelier wusste, wo was los war und hat uns sein Auto geliehen – da habe ich in der Seitenstraße auf zwei Spieler gewartet und wir sind bis drei Uhr in die Disco ausgebüxt.“
Heutzutage ist das nur noch schwer vorstellbar. Was nicht heißt, dass die aktuelle Spielergeneration und das Trainerteam um Mustafa Ünal nicht feiern kann. Als am 6. Mai der Regionalliga-Aufstieg feststand, wackelte auf der Rückfahrt von Reutlingen der Bus. „An dem Abend habe ich den Bus gerne ein, zwei Stunden länger geputzt“, sagt Willi Mast. Der Erfolg seiner Kickers geht der lebenden Legende eben über alles.