Finja heißt die Luchskatze, die nun im Nordschwarzwald ausgewildert wurde. Sie soll endlich für Nachwuchs sorgen und zur Stammmutter einer neuen Luchspopulation im Südwesten werden.
Unter großer Geheimhaltung ist an diesem Freitag das junge Luchsweibchen Finja im Nordschwarzwald ausgesetzt worden. Eine genauere Verortung gibt das Forstministerium in Stuttgart nicht bekannt, damit sich die Katze ungestört von Luchstouristen oder Luchsgegnern an ihre neue Heimat gewöhnen kann. Finja könnte zur Stammmutter einer neuen Luchspopulation im Land werden, im günstigsten Fall könnte es schon im kommenden Frühjahr erstmals nach mehr als 170 Jahren wieder Nachwuchs im Südwesten geben.
Finja ist das erste von bis zu zehn weiblichen Tieren, die bis 2027 zur „Bestandsstützung“ freigelassen werden sollen. Nach Angaben vom vergangenen Jahr rechnet das Ministerium mit Kosten von 1,8 Millionen Euro für das gesamte Programm. Im Gegensatz zu Wölfen würden weibliche Luchse kaum wandern, sodass es ohne Nachhilfe unwahrscheinlich bliebe, dass Katzen in den Südwesten kämen, betont Micha Herdtfelder, der Luchsexperte der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Wölfe in diesem Frühjahr erstmals in Baden-Württemberg Junge bekommen haben, während dies bei den Luchsen ausgeblieben ist.
Vermutlich fünf männliche Luchse leben schon dauerhaft im Südwesten
Seit 2015 haben nachweislich 16 Kuder, wie man männliche Luchse nennt, zumindest zeitweise das Ländle durchstreift. Vermutlich fünf haben sich dauerhaft hier niedergelassen. Neben zwei namenlosen Tieren am Bodensee und am Hochrhein sind dies Lias im Oberen Donautal, Wilhelm im Südschwarzwald sowie Toni im Nordschwarzwald. Dieser Toni hat also nun die größten Chancen, mit Finja Nachwuchs zu zeugen.
Das Kätzchen war mit zwei Brüdern im Wildkatzendorf Hütscheroda in Thüringen geboren worden und wurde in einer Auffangstation aufgezogen, die Tierschutzorganisationen in Maßweiler in Rheinland-Pfalz betreiben. Diese Luchse dürfen keinen Kontakt zu Menschen haben, denn sonst ist eine Auswilderung nicht mehr möglich. Finja erfülle nach genetischen und verhaltensökologischen Untersuchungen alle Voraussetzungen, um in ihrem neuen Lebensraum bestehen zu können, betonte Forstminister Peter Hauk (CDU), der sich seit Jahren stark für das Luchsprogramm eingesetzt hat.
Der Nordschwarzwald wurde wohl ausgewählt, weil das Gebiet groß genug ist, um künftig auch weiteren Luchsen ein Revier zu bieten. Toni, der 2019 aus dem Schweizer Jura eingewandert war und lange einen Sender trug, hat ein Streifgebiet, das ungewöhnlich groß ist und den Raum zwischen Pforzheim und Freudenstadt umfasst. Laut einer Studie gäbe es in Baden-Württemberg theoretisch Platz für bis zu 100 Tiere. Aber so große Populationen gibt es nirgendwo in Deutschland, selbst im Bayerischen Wald nicht. 20 bis 30 Tiere wären ein riesiger Erfolg. Und auch der ist unsicher: Denn Luchse bringen nur wenige Junge zur Welt, von denen viele das erste Lebensjahr nicht überstehen. Auch erwachsene Tiere werden immer wieder von Autos überfahren.
Verena Schiltenwolf vom Verein Luchs-Initiative Baden-Württemberg ist einerseits glücklich, denn seit 30 Jahren werde über ein solches Auswilderungsprogramm diskutiert. Nun sei es endlich so weit. Andererseits sei unklar, wie es weitergehe. Junge Luchskatzen, die sich von ihrer Genetik her für die Freilassung eigneten, seien selten und begehrt. Eine zweite Freilassung sei deshalb nicht in Sicht. Der Karlsruher Zoo, wo es immer wieder Luchsnachwuchs gibt, sei noch nicht so weit. „Wir brauchen ein deutschlandweites Konzept über zehn bis 15 Jahre hinweg, um eine überlebensfähige Luchspopulation aufzubauen“, so Schiltenwolf.
Baden-Württemberg spielt innerhalb Deutschlands eine wichtige Rolle für den Gen-Austausch. Denn in der Schweiz leben im Jura Luchse, in Frankreich in den Vogesen und seit einem Auswilderungsprogramm vor wenigen Jahren in Deutschland in der Pfalz – der Südwesten könnte zur Drehscheibe für diese Gruppen werden.
Anette Wohlfarth vom Landesschafzuchtverband ist weiter wenig begeistert von der Rückkehr der Luchse: „Bei den Schäfern gibt es noch immer Vorbehalte“, sagt sie. Allerdings sei das Land den Schäfern „bedingt“ entgegengekommen, indem es Herdenschutzmaßnahmen fördere und indem über einen Fonds Risse und Schäden beglichen werden. Tatsächlich gab es vorab viele Gespräche mit allen Beteiligten, um möglichst viel Akzeptanz zu schaffen.
Im Gegensatz zum Wolf dringen Luchse selten in Herden ein. Beim Luchs Lias, dessen Fressverhalten die FVA über ein Jahr hinweg analysiert hat, waren gar keine Nutztiere dabei. Luchse fressen vor allem Rehe, ungefähr ein Tier pro Woche. Bei 20 Luchsen in Baden-Württemberg würden also rund 1000 Rehe im Jahr gerissen. Zum Vergleich: Im Südwesten wurden im Jagdjahr 2022/23 mehr als 180 000 Rehe geschossen.
Ein Luchs wurde im Schwarzwald getötet
Der Landesjagdverband hat sich lange nur für eine natürliche Zuwanderung der Luchse ausgesprochen, ist jetzt aber beim Programm mit im Boot. Die Jäger helfen beim Monitoring und hatten für die männlichen Tiere Toni, Lias und Wilhelm die Patenschaft übernommen.
Es gibt aber auch militante Gegner. Im Juni 2021 war ein Luchs bei Menzenschwand durch einen Streifschuss getötet worden – der Täter wurde nie gefasst.