Foto: ZDF/Astrid Schmidhuber

Nach der Sommerpause springt der Moderator ins kalte Wasser und macht damit Quote.

München - Kurz vor zehn hisste Thomas Gottschalk am Samstag die weiße Fahne und gestand: "Ich hab' die Kontrolle über die Veranstaltung verloren." Der krächzende Comedian Michael Mittermeier sprang kurzfristig als Moderator ein und entließ die Zuschauer ins Bett: "Das war Wetten, dass..?'." Wer an dieser Stelle tatsächlich schlafen ging, verpasste die zweite Hälfte eines angenehm anarchischen Saisonstarts von Europas größtem Fernseh-Volksfest.

Phasenweise erinnerte das Show-Durcheinander mit Konfusius Gottschalk an eine zünftige Maßkrugschlägerei auf dem Münchner Oktoberfest, nur ohne Gewalt. Zur Belohnung für recht amüsante Unterhaltung gab's einen Quotensieg vor Dieter Bohlens angeblichen RTL-Supertalenten. 9,50 Millionen Zuschauer wollten Gottschalks Fernseh-Wiesn sehen, bei der sich fast alles ums benachbarte Oktoberfest drehte - ein Marktanteil von 31,7 Prozent.

7,19 Millionen sahen lieber Bohlen zu. In der sogenannten werberelevanten Zielgruppe hatte allerdings RTL die Nase vorn. "Das Supertalent" erreichte nach Senderangaben in der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen einen Marktanteil von 34,9 Prozent - im Vergleich zu 25,1 Prozent bei "Wetten, dass...?". Der starke RTL-Wert sorgte zudem dafür, dass "Wetten, dass...?" den schwächsten Staffelstart aller Zeiten verzeichnete. Letztes Jahr wollten noch etwa zwei Millionen Zuschauer mehr das Debüt von Michelle Hunziker als Moderations-Praktikantin sehen.

Mit Hunziker beginnt die Anarchie

Deren Praktikum wurde jetzt (trotz heftiger Konkurrenz von Gottschalks neuer Flamme Cindy aus Marzahn) um mindestens eine Saison verlängert - und mit Michelle, La Belle, begann am Samstag in der Münchner Olympiahalle die Anarchie. Das von der Schweizerin gedrillte Superhennentalent Clara sollte im Rahmen der Saalwette aus mehreren Kegeln diejenigen herauspicken, die mit einem Gottschalk-Foto beklebt waren. Clara weigerte sich komplett und hinterließ neben einem lustlosen Eindruck lediglich einen Hühner-Haufen. "Verkackt", kommentierte der von Clara verschmähte Moderator lakonisch.

Noch spektakulärer als die Henne verweigerte sich später Schauspielerin Christine Neubauer, die neben der Produktion von zwei Fernsehfilmen pro Woche nun auch noch Zeit fand, bei Gottschalk auf der Couch vorbeizuschauen. Sie war Patin der ersten Klassik-Wette, einer nagelneuen ZDF-Erfindung. Zum 30-Jahr-Showjubiläum werden glorreich gescheiterte Wetten noch einmal nachgespielt. Zur Premiere traf Recyclingwette auf Recyclingpapier: Kandidat Mario Marciniak wollte an einem Seil aus Toilettenpapier aus einem Becken in der Münchner Olympiaschwimmhalle fünf Meter hoch auf den Sprungturm klettern.

Unterhose der Nation

Marciniak kraxelte erfolgreich, die skeptische Neubauer sollte ihren Wetteinsatz einlösen - und sich zusammen mit Gottschalk vom 7,5-Meter-Turm in die Fluten stürzen. Gottschalk hüpfte mutig, leicht geschubst von Neubauer - und moderierte den Rest der Show deutlich schlechter frisiert als zuvor. Die gefühlige Aktrice dagegen weigerte sich, im Dirndl zu springen - unter Hinweis auf das Nichttragen einer Unterhose! Minutenlange Buhrufe im Publikum, im Blogdienst Twitter lästerte alles über die Unterhose der Nation, doch Frau Neubauer blieb hartleibig wie ein Pferd vor dem Oxer und sprang nicht ab.

Gottschalk disponierte hektisch um - die vollsynthetische US-Sängerin Katy Perry musste ihren Wetteinsatz, einen Freiflug mit der Drahtseilbahn übers Olympiastadion, nicht einlösen. Über die Arena sauste stattdessen Neubauer, der der Moderator mit einem Abwurf über dem Mittelkreis drohte. "Das gibt ein tiefes Loch", lästerte Twitter hoffnungsvoll. Fräulein Perry durfte stattdessen als Wetteinsatz aus dem Bonbonkleidchen ins Dirndl steigen, das Hunziker eigentlich schon von Anfang an tragen sollte, aber nicht trug - es ging ein wenig durcheinander am Samstagabend, wie gesagt.

Und sonst? Neubauer machte Reklame für ihre Modekollektion, Comedian Bülent Ceylan trug zum Brusthaar ebenfalls Dirndl (aber dem Vernehmen nach nicht aus der Neubauer-Kollektion), Joe Cocker langweilte sich sensationell auf der Couch und verschwand wortlos.

Sieg für sprechende Körpergeräusche

Den Wettsieg holten sich zwei junge Männer aus dem Allgäu mit ihrem selbst erarbeiteten Alphabet aus Körpergeräuschen. Franz Bayrhof (25), der eigentlich in Augsburg Englisch und Spanisch studiert, "las" seinem Freund Manuel Jokisch (23) mit Hilfe seiner Achselhöhlen und anderen Körperteilen Sätze aus Comics vor, die dieser erkennen musste. Staun!

Thommys Verabschiedung nach gut drei Stunden fiel angemessen konfus aus. Er lud die Zuschauer zur nächsten Sendung mit Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut nach "Landshut" ein statt nach Hannover. Landrut, Landshut - egal, Hauptsache Gottschalk!