Erdölförderung in Saudi-Arabien Foto:  

Während sich Autofahrer über die niedrigen Spritpreise freuen, beobachten Wirtschaftsexperten die Entwicklung auf dem Ölmarkt mit Sorge. Wer profitiert von der Entwicklung, wer verliert dabei?

Stuttgart – - Wieso ist Öl zurzeit so günstig?
Der Preissturz hat bereits Ende 2014 bei einem Preisniveau von 110 Dollar (100 Euro) begonnen. Innovative Technologien wie die Fracking-Methode, bei der Gas und Öl gefördert wird, das in tiefen Gesteinsschichten lagert, haben in den USA zu einem enormen Anstieg der Öl-Produktion geführt. Mittlerweile wurde sogar das jahrzehntelang geltende Ölexportverbot aufgehoben. Derzeit übersteigt das Angebot die Nachfrage bei weitem. Gleichzeitig konnten sich die OPEC-Staaten nicht auf eine Öl-Förderkürzung einigen und fluten den Markt weiterhin mit günstigem Öl: „Reiche Länder wie Saudi-Arabien versuchen so, Mitbewerber wie die US-Produzenten aus dem Markt zu drängen“, erklärt Frank Klumpp, Rohstoffanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).
Welche Vorteile haben die niedrigen Ölpreise für die Verbraucher?
Durch den starken Preisverfall haben die Verbraucher in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 13 Milliarden Euro gespart. Autofahrer können sich freuen: Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist der Literpreis für Diesel unter die Ein-Euro-Marke gefallen. Nach Angaben des Autoclubs ADAC kostete der Liter Diesel am vergangenen Mittwoch im Tagesmittel 99,8 Cent – damit war Diesel so günstig wie seit 2009 nicht mehr, zeitweise lag der Preis sogar bei 95,9 Cent. Der Liter Super E10 kostete am Mittwoch im Bundesschnitt 1,236 Euro. Auch das Heizen mit Öl ist so günstig wie lange nicht mehr. Die Heizölhändler meldeten am Donnerstag Preisrückgänge zwischen 0,5 und 1,5 Cent pro Liter. Das Internetvergleichsportal des Öltechnikunternehmens Tecson meldete am Donnerstag einen Durchschnittspreis von 40,6 Cent pro Liter. Dadurch haben die Deutschen mehr Geld für andere Ausgaben. Außerdem können Unternehmen mit dem günstigen Schmierstoff billiger produzieren. Besonders die Chemieindustrie profitiert davon. Das könnte die Konjunktur in Deutschland ankurbeln.
Wer leidet unter der Ölkrise?
Opfer dieser Entwicklung sind vor allem Unternehmen und Länder, die am Ölverkauf verdienen, wie USA und Russland. „Dadurch, dass der Markt mit günstigem Öl überschwemmt wird, bleiben Investitionen in kostspielige Förder-Methoden wie das Fracking aus“, sagt LBBW-Rohstoffanalyst Klumpp. Das könne durchaus Arbeitsplätze kosten. Der Ölkonzern BP hat bereits bekannt gegeben, 400 Stellen streichen zu wollen – davon 800 in Deutschland. „Dennoch werden die Auswirkungen der Ölkrise in den USA vergleichsweise gering ausfallen, da die US-Wirtschaft nicht vom Öl-Export lebt“, prognostiziert Klumpp. Anders sieht es in Russland aus: Die Staatskasse wird vor allem mit Einnahmen aus Gas- und Ölexporten gefüllt. Für einen ausgeglichen Haushalt braucht Russland einen Ölpreis von 105 Dollar (96 Euro) je Fass. Der aktuelle Preis dürfte die russische Wirtschaft drücken. Das bedeutet auch, dass Investitionen ins Ausland heruntergeschraubt werden.
Welche Auswirkungen könnte der Tiefpreis auf die Umwelt haben?
„Die Klimapolitik hat es derzeit schwer“, sagt Klumpp. Auf fossile Brennstoffe zu setzen wird vor dem Hintergrund der niedrigen Preise wieder attraktiv. Wirtschaftlich lohne es sich für viele Leute derzeit nicht in Elektromobilität oder eine gute Wärmedämmung im Haus zu investieren. Umweltschützer befürchten eine Energiewende in die falsche Richtung. Sebastian Scholz, Experte für Energie und Klima beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), befürchtet einen Anstieg von „falschen“ Investitionen: „Anstatt auf erneuerbare Energien zu setzen, werden sich viele Hausbesitzer wegen des Ölpreises für eine Ölheizung entscheiden.“
Gibt es positive Aspekte für die Umwelt?
Der sinkende Ölpreis habe aber auch aus Umweltsicht einen positiven Effekt: „Unternehmen, die mit der Fracking-Methode Öl fördern, werden mit diesen Preisen nicht mithalten können und ihre Produktion drosseln müssen“, so Scholz. Fracking sei für den NABU „inakzeptabel“. Bei der kostspieligen Methode wird Wasser, angereichert mit chemische Zusätzen, unter hohem Druck in unterirdische Gesteinsschichten gepresst, um an das Öl heranzukommen. Umweltschützer befürchten eine Verschmutzung des Grundwassers durch die Chemikalien.
Werden die Leute jetzt häufiger mit dem Auto fahren?
An ein erhöhtes Aufkommen an Fahrzeugen auf den Straßen glaubt Nabu-Experte Scholz nicht: „Die niedrigen Preise an den Tankstellen freuen den Verbraucher natürlich. Sie werden aber hoffentlich nicht dafür sorgen, dass die Leute ihr Verhalten ändern und häufiger mit dem Auto fahren.“
Was bedeutet die Preiskrise für Unternehmen in Baden-Württemberg?
„Da gibt es zwei Seiten der Medaille“, sagt Dietrich Birk, Geschäftsführer beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Baden-Württemberg. Derzeit profitierten Produzenten in Baden-Württemberg eher vom niedrigen Ölpreis: „Besonders in der Automobilbranche könnten die niedrigen Kraftstoffpreise zu einer Sonderkonjunktur führen.“ Auf der anderen Seite stünden Unternehmen, die Öl-Förderungs-Equipment wie Armaturen und Pumpen sowie Anlagen herstellen und an Firmen in Ölförderländer exportieren: „Hier hat sich die Nachfrage spürbar abgeschwächt“, sagt er. Geringe Investitionen aus Russland, dessen Wirtschaftskraft stark von der Öl- und Gasförderung abhängt, hätten auf die baden-württembergische Wirtschaft ebenfalls negative Auswirkungen: „Aufgrund der ausgeprägten Wachstumsschwäche der russischen Wirtschaft ist die Nachfrage aus Russland in den letzten Jahren schon stark rückläufig gewesen, der niedrige Ölpreis verstärkt diesen Effekt.“
Gibt es Auswirkungen auf Arbeitsplätze?
Eine Gefahr für Arbeitsplätze sieht Dietrich Birk noch nicht: „Wir haben eine starke global ausgerichtete und breit diversifizierte Exportwirtschaft, deren Chancen auch für 2016 gut sind.
Wie lange wird der Ölpreis so niedrig bleiben?
„Es ist nicht ausgeschlossen, dass es mit dem Preis noch deutlich tiefer geht“, sagt Frank Klumpp von der LBBW: „Allerdings werden die Saudis mit jedem Dollar, den das Öl billiger wird, unruhiger.“ Er ist sich jedoch sicher, dass der Preis weder dieses noch nächstes Jahr auf mehr als 60 Dollar (55 Euro) steigen wird: „Der Ölpreis wird sich zwischen 25 und 60 Dollar bewegen.“