Das Staatsweingut hat einen politisch korrekten Wein produziert: den ersten koscheren Riesling des Landes. Unser Tester Michael Weier findet, dass sich damit hervorragend Völkerverständigung praktizieren lässt.
Vorweg muss ich bekennen, dass ich ein ganz großer Israelfan bin. Ohne jedes politische oder religiöse Argument, mir gefällt einfach das Land wahnsinnig gut. Historische Spuren, wohin das Auge schaut, kompletter Wahnsinn an manchen Stellen, Bauhaus und Lebensfreude in Tel Aviv. Israel ist herrlich. Weshalb ich dort auch häufiger Urlaub gemacht habe. Und als Weinkolumnist natürlich verschiedene Weingüter besucht habe. Selbst der Wein aus dem Heiligen Land ist großartig! Aber klar, immerhin wird dort seit der Zeit des Alten Testaments auch Wein angebaut.
Die Produktion von koscherem Wein ist kompliziert
Bei meinen Besuchen habe ich viele gute Tropfen probiert, oft aber auch erfahren, dass die Betriebe wenig koscheren Wein produzieren. Ganz einfach, weil das sehr kompliziert ist. Genau dies hat nun das Staatsweingut in Weinsberg erfahren dürfen. Weil Politiker der Meinung waren, dass es nicht sein könne, dass im Weinland Baden-Württemberg zu den entsprechenden Anlässen nur koscherer Wein aus Israel oder Frankreich ausgeschenkt werde, müsse das Land eben einen solchen keltern! Blöd nur, die Trauben müssen natürlich nach den strengen Regeln der Kaschrut gelesen, gekeltert und abgefüllt werden. Die ersten vier Jahre darf zunächst mal nichts geerntet werden.
Dass es dann eine Spontangärung braucht, weil keine Hefe zugeführt werden darf, dürfte Weinsberg-Chef Dieter Blankenhorn am wenigsten besorgt haben. Filtern ist nur bedingt erlaubt, eine Klärung mit Gelatine nicht. Und im Keller passen die Rabbiner genau auf, dass kein aus ihrer Sicht Ungläubiger an den Fässern rumfingert.
Ein genialer Wein vom Staatsweingut
Für die Arbeit in Weinsberg wurden deshalb unter anderen der Stuttgarter Rabbi Yehuda Pushkin hinzugezogen und Elisha Baram, Experte für die Einhaltung der Speisegesetze, aus Israel eingeflogen. Viel Aufwand, aber ein genialer Wein! Der Riesling, der dabei entstanden ist, schmeckt für diesen Preis einfach fantastisch, ein Riesling, wie man ihn sich von Gott erbeten würde. Frisch, Aromen von grünem Apfel, von Pfirsich, knackige Eleganz. Mit dem Namen sage ich da nur: Le Chaim, auf das Leben!
Das Urteil der Weinrunde:
Holger Gayer Nicht nur die Geschichte dieses Weins ist besonders, auch er selbst: supermineralisch mit klassischen Pfirsicharomen, jung, frisch – einfach gut.
Kathrin Haasis Ein gutes Miteinander lässt sich mit diesem Wein garantiert erreichen: Es ist ein schön klassischer Riesling mit viel Schmelz und viel Körper.
Harald Beck Mein Schwager ist Palästinenser. Wenn wir uns über den Gott einigen, trinken wir alle gemeinsam von dem Wein auch ein zweites Viertele.
Riesling „Le Chaim“ trocken Gutswein 2022, 12,90 Euro, Staatsweingut Weinsberg. www.staatsweingut-weinsberg.de