Dieser Stich zeigt ein als „Christkind“ verkleidetes Mädchen Foto: Zimmermann

Martin Luther noch nennt Nikolaus und Christkind beim Blick auf die Bräuche in einem Atemzug.

Auf die Bescherung freuen sich die braven Kinder stets. Martin Luther noch nennt Nikolaus und Christkind beim Blick auf die Bräuche des Weihnachtsfestkreises in einem Atemzug, und er weiß darum, dass die Eltern ihre Kinder seit langem anhielten, "S. Niclas vnd dem Christkinnd fasten, das sie sollen yhn des nachts bescheren". Doch der Anschauung, durch gute Werke sich Gott gnädig stimmen zu können, widersprach der Reformator. Die Legenden der Heiligen waren ihm zumindest "Kindereien", sie selbst undenkbar als "Gnadenmittler", steht doch nichts zwischen Gott und Christenmensch nach seiner Lehre.

Nach altem Brauch erschien der Heilige Christ als weiß verschleierte Gestalt. Zumeist "markierten" hübsche Mädchen das Christkind, eine papierene Goldkrone auf dem Kopf oder das Haupt bekrönt mit einem grünen Kranz, darauf brennende Wachskerzen steckten. Kündigte es sein Nahen mit einem wohlklingenden Glöckchen an, zart wie seine englischen Begleiter, so sorgten die Teufelsgestalten, "Pelzmärte" oder "wilde Kläuse", mit ihren Schellen für einen Höllenlärm.

Doch auch die "Christkindle" mochten zur Plage werden - wie in Schwenningen zur Mitte des 18. Jahrhunderts, wenn "Junge mädle, welche vermögliche Eltern haben, an denen feyertägen bey nacht vor denen Häusern gesungen und nur ihr gespött getrieben", die rügende Funktion der Schreckfiguren an sich gerissen haben - zum Gaudium der wilden Kläuse und zum Schrecken der "in ihrem Schlaff beunruhigten Burgeren".

Noch heutzutage ist das Christkindle unterwegs - und verteilt mit seinen himmlischen Heerscharen Geschenke, wie es sich gehört. Nur in Streichen trägt es männliche Züge: Zu weißem Nachthemd, Schellenriemen und mit Goldpapier verziertem hohen Spitzhut, der mit kleinen Wattebäuschchen beklebt ist, gehört eine bebärtete Maske der Jungen, die nach dem "Examinieren" für die Bescherung sorgen.

In Gaistal aber macht es, weiblich und allein, zusammen mit dem Pelzmärte als Schreckfigur die Runde. In Sprollenhaus schließlich gehen Pelzmärte und Christkindle getrennt durch den Flecken. Wenn sie sich im Ort begegnen, darf der Pelzmärte das Christkindle umarmen und küssen: für Volkskundler eine echte Herausforderung, wollen sie tiefgründendere Erkenntnisse gewinnen als die: "Es ist das Fest der Liebe!" Und der kann selbst der Teufel nicht widerstehen . . .