Pinocchio-Effekt: Die Nase entlarvt Lügner besser als jeder Lügendetektor. Foto: Imago/Pond5 Images

Dass die Menschheit extrem anfällig ist für die Botschaften von Demagogen und Populisten weiß man nicht erst seit Donald Trump. Schuld daran ist vor allem die menschliche Unvernunft, wie schon der Humanist Erasmus von Rotterdam vor fast 500 Jahren wusste.

„Es ist töricht, wenn man glaubt, auf den Dingen selbst beruhe das menschliche Glück. Von den Meinungen hängt es ab.“ Dieser Satz ist nicht etwa, wie man vermuten könnte,  der Debatte um „Post-truth-politics“, der postfaktischen Politik, und Renaissance des Populismus entnommen. Er stammt von dem berühmtesten Philosophen des Humanismus, Erasmus von Rotterdam (1466-1536).

Erasmus’ berühmte Satireschrift „Lob der Torheit“ lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Der Mensch ist ein „Homo irrationalis“. Auch wenn das Irrationale den sachlichen und ethischen Ansprüchen vernünftigen Denkens und Handeln nicht genügt, hat es doch eine stupende Wirkung. Vernunft, Verstand, Logik – alles überschätzt.

Im „Narrenschiff“, einem anderen, 1494 erschienen Klassiker der Weltliteratur, heißt es: „Die Welt will betrogen sein, also soll sie betrogen werden.“

„Logik ist das letzte, was das Gehirn tut“

Dass die Menschheit extrem anfällig ist für die Botschaften von Demagogen und Populisten weiß man nicht erst seit Donald Trump.

Glaubt man Hirnforschern sind deren Erfolge vor allem auf das Wesen des menschlichen Denkorgans zurückführen: Das Gehirn und seine Entscheidungen wird sehr viel stärker von Gefühlen gelenkt als von der Vernunft. „Logik ist das letzte, was das Gehirn tut“, so die britische Hirnforscherin Susan Greenfield.

Trumps schlichte Phrasen kommen bei einer bestimmten Klientel sehr gut an. Foto: Imago//Sammy Minkoff

Klaviatur der Emotionen und Irrationalität

Dass Politik von Gefühlen lebt und diese weckt, gehört zu ihren ureigensten Aufgaben. Politiker suggerieren den Bürgern, dass sie eingemauert werden müssen, um ihr Leben wie bisher weiterführen zu können. Sie diskreditieren ihre Gegner so lange, bis eine Mehrheit die Unwahrheiten für wahr hält. Sie nutzen die politische Ahnungslosigkeit der meisten aus und erheben deren Nichtwissen zum allgemeinen Goldstandard.

Populisten beherrschen die internationale Bühne, weil sie auf der Klaviatur der Emotionen und Irrationalität so meisterhaft spielen. Sie können mit abstrusen Vorwürfen überschütten oder mit dem Finger auf andere zeigen, die schuld seien – und damit nicht nur bei ihren Anhängern punkten.

Humbug, der jeder rationalen Grundlage entbehrt, lässt sich mit Vernunft schlecht widerlegen. Genau dies ist das Prinzip des Irrationalen: Wenn man etwas nur laut genug im Brustton der Überzeugung hinausposaunt, glauben es viele.

Schachzüge des Irrationalen

Dahinter steckt in aller Regel eine sehr rationale Strategie. Die Schachzüge eines scheinbar irrational Handelnden lassen sich nur schwer vorhersagen, weil die anderen nicht wissen, was er als nächstes vorhat.

Demagogen und Populisten können zudem darauf vertrauen, dass ihre frei erfundene, fiktive Welt von vielen als wahre Realität wahrgenommen wird. Moderne Massen würden, schreibt die Philosophin Hannah Arendt (1906-1975), „so wenig durch Tatsachen überzeugt, dass selbst erlogene Tatsachen keinen Eindruck auf sie machen“.

Bloß keine Befreiung von der Torheit

Hinzu kommt: Je bedrohlicher, unruhiger und verworrener die Zeiten sind, umso mehr sind viele Menschen bereit, sich für dumm verkaufen zu lassen. Ist es da nicht nachvollziehbar, dass so viele dem Charme des Irrationalen verfallen? Um nochmals Erasmus von Rotterdam zu zitieren: „Es tut halt so sauwohl, keinen Verstand zu haben, dass die Sterblichen um Erlösung von allen möglichen Nöten lieber bitten, als um Befreiung von der Torheit.“