Foto: dpa

Deutschlands berühmtestes Schauspieler-Ehepaar ist unermüdlich. Walter Giller und Nadja Tiller sind beide an Krebs erkrankt und leben in einem Seniorenheim in Hamburg. Trotzdem drehen sie weiter Kinofilme.

Hamburg - Deutschlands berühmtestes Schauspieler-Ehepaar ist unermüdlich. Walter Giller und Nadja Tiller sind beide an Krebs erkrankt und leben in einem Seniorenheim in Hamburg. Trotzdem drehen sie weiter Kinofilme. Demnächst sind sie in "Dinosaurier" zu sehen.

Frau Tiller, Herr Giller, gehen Sie sich nach so langer Zeit manchmal auf die Nerven?

Giller: In mancher Hinsicht verstehen wir uns heute sogar besser als früher. Ich sehe unsere Liebe heute als ein ganz dickes Freundschaftspaket. Das wird immer intensiver mit der Zeit.

Tiller: Es ist schon sehr schön, dass wir noch zu zweit sind. Wir genießen das im Grunde jetzt viel mehr, weil wir nun eben auch wirklich miteinander Zeit haben. Wir sind zwar über 50 Jahre miteinander verheiratet, aber wir waren sehr oft getrennt. Was ich als angenehm empfunden habe - dass wir einander nicht ständig auf der Pelle gehockt haben.

Warum wohnen Sie dann in unterschiedlichen Apartments?

Tiller: Das wurde uns bei der Anmeldung so empfohlen. Die Wohnungen hier sind nicht sehr groß. Da ist es einfach schöner, wenn jeder sein eigenes Zimmer und Bad hat.

Klingt nach guten Voraussetzungen für einen ruhigen Lebensabend. Warum setzen Sie sich überhaupt noch kräftezehrenden Dreharbeiten aus?

Giller: Die Hauptsache ist doch: Wir zwei sind immer noch dabei und mischen ein bisschen mit. Sonst hätten wir es nur noch mit alten Säcken zu tun.

Tiller: Da unterhält man sich dann nur über Krankheiten und die entsprechenden Pillen oder die Kur, die man gerade machen will. Aber beim Film sind wir ausschließlich von jungen Leuten umgeben. Eine ganz andere Atmosphäre, die absolut erfrischend ist.

Noch kräftezehrender dürfte ohnehin der Kampf gegen den Krebs gewesen sein.

Giller: Das stimmt. Der Lungenkrebs kam bei mir ja ganz überraschend. Ich hatte vorher nie was gemerkt. Aber es muss wohl ein Überbleibsel aus meinen Kriegsjahren sein. Ich bin mit Tuberkulose aus dem Krieg zurückgekommen. Sieben Jahre lang hatte ich die Krankheit. Heute ist an mir einiges verkalkt - nicht nur das Oberstübchen.

Tiller: Das Dumme bei Krebserkrankungen ist ja: Die Angst bleibt, dass der Krebs irgendwann wiederkommt. Wir müssen alle paar Monate zu Kontrolluntersuchungen.

Und was sagen die Ärzte?

Giller: Bei mir haben sie Angst, dass der Krebs auf den anderen Lungenflügel übergegriffen haben könnte. Aber bisher haben sie da nichts gefunden. Und nach meinem Herzschrittmacher müssen sie auch schauen. Ich hab' zwar sehr mit Strom gespart (lacht), aber nach acht Jahren geht es mit der Batterie wohl doch so langsam zu Ende. So ist das nun mal, wenn man älter wird. Man hat das eine oder andere Zipperlein, und eine Körperfunktion nach der anderen setzt aus. Aber solange das mit Ersatzteilen repariert werden kann, finde ich das noch ganz in Ordnung.

Tiller: Ich bin ja auch schon quasi ein Ersatzteillager. Ich finde es toll, dass man gewisse Körperteile quasi durch neue ersetzen kann. Und großartig finde ich, wie weit auch die Krebsforschung heute schon ist. Krebs ist heute kein Todesurteil mehr.

Bekommt man eine solch positive Einstellung zum Leben, wenn man im Altersheim wohnt?

Giller: Meine Zimmernachbarin wird am 24. Dezember stolze 100 Jahre alt. Letztes Jahr hat sie sich noch einen Computer gekauft. Ich sollte ihr helfen, den Rechner einzurichten. Da musste ich leider passen und sagen: Ich kann das nicht.

Tiller: Wir sind hier quasi noch junge Hüpfer. Die meisten Leute werden hier sehr alt, weil man ja auch sehr verwöhnt wird. Bei guter Pflege wird man eben auch älter. Und außerdem: Älterwerden ist auch nicht so schlimm, wenn man einen Partner hat. Älterwerden ist ohnehin nichts für Feiglinge - und für einsame schon gar nicht.

Denken Sie manchmal darüber nach, wie das Leben sein wird, wenn einer von Ihnen mal nicht mehr da ist?

Giller: Das bleibt nicht aus, dass man an so was denkt. Dafür sind wir ja auch hier - um sterben zu lernen. Last exit Augustinum. Ich fühle mich hier auch nicht zu Hause. Ich habe eher das Gefühl: Ich bin auf der letzten Etappe meiner Durchreise. Das ist ein schmerzlicher Gedanke: So ein echtes Zuhause, so ein Gefühl von Heimat - das kommt nicht wieder.

Tiller: Heimat ist das für mich hier schon gleich gar nicht, weil: Ich bin Wienerin! Für mich ist das hier eher wie ein Hotel.

Die Kessler-Zwillingen sollen eine Sterbevereinbarung haben: Wenn die eine stirbt, will die andere auch nicht mehr leben ...

Tiller: Donnerwetter! Aber ich kann das verstehen: Wenn man sonst niemanden mehr hat, kann es im Alter schon passieren, dass man so denkt.

Giller: Ich glaube nicht, dass ich alleine überhaupt noch leben möchte. Deshalb fände ich es besser, wenn ich als Erster von uns beiden von dieser Welt gehe.

Tiller: Ja, das ist mir klar. Das hab' ich schon von mehreren Männern gehört. Die wollen vor ihrer Frau sterben, damit sie im Alter nicht alleine sind.

Giller: Ich möchte das anders formulieren: Milde ausgedrückt, bin ich so sehr an dich gewöhnt, dass ich ohne dich nicht sein möchte.

Tiller: Das kommt auf dasselbe raus.

Viele Schauspieler plagen Versagensängste und Depressionen. Kennen Sie solche Gefühle?

Giller: Wer in unserem Alter keine Depressionen hat, ist ein Fall für den Psychiater. Also diese typischen Altersdepressionen, die kenne ich schon. Fragt sich nur, wo das Alter anfängt...

Von Ihnen, Frau Tiller, ist bekannt, dass Sie schon ein Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof haben, und Sie, Herr Giller, wollen eine Seebestattung... Heißt das, Sie werden nicht nebeneinander begraben?

Giller: Nein, das letzte Wort ist ja nie gesprochen. Ob man gläubiger Christ ist oder Atheist - das entscheidet sich ja meistens erst in den letzten fünf Minuten. Aber ich finde die Vorstellung einer Seebestattung wunderbar. Das Meer ist die hohle Hand Gottes. Was kann einem Schöneres passieren, als nach seinem Tod dort zu landen?

Tiller: Ich habe die Vorbereitungen für den Tod getroffen. Ich habe eine gewisse Sentimentalität an mir, weil meine Eltern auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben sind.