Demokratie geht eigentlich anders: Der Wahlrat verweigert der wichtigsten Kandidatin der Opposition in Venezuela die Registrierung.
Als Venezuelas amtierender Staatschef Nicolás Maduro vor einem halben Jahr bei den Verhandlungen mit der Opposition faire und freie Wahlen zusagte, hatte er eine sehr eigene Vorstellung davon, was das heißt. Seine seit Jahrzehnten regierenden Chavisten haben mit Tricksen und Behinderungen alles dafür getan, dass kein Kandidat oder keine Kandidatin der Opposition an der Präsidentenwahl Ende Juli teilnehmen kann. Die Abstimmung, bei der das Staatsoberhaupt für die kommenden sechs Jahre gewählt wird, spricht schon jetzt demokratischen Standards Hohn.
Zuletzt blockierte der von der Regierung kontrollierte Wahlrat CNE die Registrierung von Corina Yoris, einer 80-jährigen Philosophin, die als Ersatzkandidatin für die schärfste Maduro-Kritikerin María Corina Machado antreten wollte. Machado, Gründerin des Oppositionsbündnis Platafoma unitaria (Einheitsplattform), war vom Obersten Gericht unter fadenscheinigen Gründen schon im Februar eine Kandidatur verboten worden.
Die Blockade zog eine selten einmütige internationale Ablehnung nach sich. Die USA, die EU und selbst die linken Nachbarn Brasilien und Kolumbien äußerten ihr Unverständnis und Ablehnung für das Maduro-Manöver. „Die Europäische Union ist zutiefst besorgt über den irregulären und undurchsichtigen Prozess, der einige Parteien daran gehindert hat, ihre Präsidentschaftskandidaten registrieren zu lassen“, sagte Peter Stanos, außenpolitischer Sprecher der EU.
Der Autokrat Maduro, der seit 2013 als Nachfolger und Vertrauter des verstorbenen Übervaters Hugo Chávez regiert, betrachtet jede Wahl nach wie vor als ein Schachspiel, bei dem nur er die Figuren bewegt. „Uns wurde sogar die Registrierung einer Ersatzkandidatur verwehrt“, wetterte Machado diese Woche. „Es ist eingetreten, wovor wir viele Monate gewarnt haben. Das Regime hat seine Gegner selbst ausgewählt, die Menschen fühlen sich verhöhnt.“
Kein Bewerber kann dem Staatschef gefährlich werden
Treffender kann man den Status quo vor der Wahl am 28. Juli nicht beschreiben. Dass dem Autokraten Maduro einer der elf zugelassenen Mitbewerber gefährlich werden kann, ist unwahrscheinlich. Der bekannteste Herausforderer ist der Gouverneur des ölreichen Bundesstaates Zulia, Manuel Rosales. Er maß sich bereits 2006 vergeblich mit Chávez im Rennen um die Präsidentschaft, ging später ins Exil und kehrte 2015 zurück. Rosales ist Vorsitzender der Partei Un Nuevo Tiempo (Eine neue Zeit). Diese hatte ursprünglich Machado unterstützt, beschloss aber in letzter Minute, ihren Vorsitzenden selbst ins Rennen zu schicken.
Machado bekräftigt nach wie vor, an ihrer Kandidatin Yoris festzuhalten. „Wir müssen von Tag zu Tag schauen“, betont sie. Aber dass Machado von Rosales wenig hält, ist allseits bekannt. Wie überhaupt die Gegner des Chavismus so zerstritten sind, dass sie selten an einem Strang ziehen. Maduro ist zudem virtuos darin, die Opposition gegeneinander auszuspielen.
Rosales selbst erklärte am Dienstag, er habe sich zu einer Kandidatur entschlossen, um Maduro bei der Wahl nicht kampflos „das Feld zu überlassen“. Der 71-Jährige ist ein Veteran des Anti-Chavismus in Venezuela. Er versuchte schon 2002 nach dem misslungenen 48-Stunden-Putsch gegen Chávez eine Übergangsregierung aufzubauen. 2008 beschuldigte ihn die Justiz der unrechtmäßigen Bereicherung, erließ Haftbefehl, dem sich Rosales durch Flucht nach Peru entzog. Nach seiner Rückkehr 2015 wurde er für ein Jahr in Hausarrest gesteckt, dann freigelassen und erhielt seine politischen Rechte zurück. Bis heute bestreitet er vehement, dass er mit Maduro seine Freilassung ausgehandelt habe. Aber weder in der Bevölkerung noch in der Opposition scheint eine Mehrheit davon überzeugt, dass das stimmt.