Emmanuel Macron und Marine Le Pen sind in der Stichwahl für das Präsidentenamt. Ein Sieg der Rechtspopulistin wäre in den Augen der meisten Europaparlamentarier eine Katastrophe. Foto: dpa/Ludovic Marin

Die meisten Politiker im Europaparlament sind sich einig: Die Wahl Marine Le Pens wäre eine Katastrophe, auf die die EU nicht vorbereitet wäre.

Europa pendelt zwischen Erleichterung und Besorgnis. Erleichterung darüber, dass in Frankreich bei der Präsidentenwahl der Amtsinhaber Emmanuel Macron mit fast 28 Prozent der abgegebenen Stimmen nun doch relativ deutlich vor Marine Le Pen gelandet ist, die knapp über 23 Prozent bekam. Dennoch macht sich die Sorge breit, dass die Rechtspopulistin bei der Stichwahl am 24. April doch die Nase vorne haben könnte. Ein Sieg von ihr hätte auch weitreichende Konsequenzen für die Europäische Union.

Entsetzen über das Abschneiden der Populisten

Für die meisten der Europaparlamentarier war das Ergebnis keine große Überraschung. „Die Umfragen vor der Wahl haben ein entsprechendes Ergebnis vorhergesagt“, erklärt René Repasi (SPD). Seine Parteikollegin Katarina Barley ist sogar von einem wesentlich engeren Rennen ausgegangen. Nun sei der Abstand doch etwas größer als erwartet, allerdings sollte er in der Stichwahl dann doch einiges deutlicher werden. Erschüttert äußern sich alle Parlamentarier über das starke Abschneiden der Populisten. „Das Wahlergebnis in Frankreich zeichnet das Bild eines tief gespaltenen Landes“, sagt der CSU-Mann Markus Ferber. „Dass mehr als 50 Prozent der Wähler ihre Stimme für einen links- oder rechtspopulistischen Kandidaten abgeben, kann man nur als Schock bezeichnen.“ Der Europaparlamentarier Peter Liese (CDU) gibt dafür Emmanuel Macron eine Hauptschuld. Der habe „offensichtlich gedacht, allein als internationaler Krisenmanager die Wahl zu gewinnen“. Damit habe er den Eindruck vermittelt, dass ihn die Alltagssorgen der Menschen nicht interessieren. So sei aber eine Wahl nicht zu gewinnen.

Verlierer der Wahl sind die etablierten Parteien

Nach Ansicht von Reinhard Bütikofer (Grüne) präsentieren weder Sozialisten noch Konservative eigenständige gesellschaftliche Entwürfe. Deren Spitzenkandidatinnen „versuchten sich mit Politik-Versatzstücken durchzumogeln, die sie anderswo abgeschaut und dann inkonsistent zusammengemixt hatten“. Vor allem die Konservative Valérie Pecresse sei ein Verschnitt aus Macron und erheblichen Teilen Le Pen gewesen. René Repasi glaubt, dass die klassischen Parteien „im Zweikampf zwischen dem staatstragenden Macron und den schrillen und sichtbareren Alternativen zerrieben worden“ seien. Er unterstreicht aber, dass man sie dennoch nicht abschreiben sollte. Sozialisten und Konservative seinen „immer noch die dominanten Parteien vor Ort und in den Regionen“. In den Augen von Markus Ferber repräsentieren die etablierten Parteien in Frankreich zu sehr „die alten Eliten, die zu wenig Glaubwürdigkeit, Lösungsansätze und letztlich auch Enthusiasmus entfachen“. Sein Blick in die Zukunft ist eher düster: „Es wird sich zeigen, ob sich die etablierten Parteien von diesem abermaligen Niederschlag erholen können. Ich habe da große Zweifel.“

Die EU ist nicht auf einen Sieg von Le Pen vorbereitet

Reinhard Bütikofer hat eine sehr klare Meinung: „Nein, wir sind nicht auf einen Sieg von Le Pen vorbereitet.“ Er befürchtet, dass das zur „Kernschmelze der EU“ führen könnte, denn „ohne ein Frankreich, das die EU voranbringen will, kann diese nicht funktionieren“. Auch für den SPD-Politiker Jens Geier wäre dieses Szenario eine Katastrophe. Marine Le Pen habe absolut kein Interesse an einer gemeinsamen europäischen Politik. Ähnlich sieht dies auch Markus Ferber: „Angesichts der derzeitigen geopolitischen Situation kann sich die EU eigentlich keine weitere interne Krise leisten.“

Die Demokraten müssen sich nun zusammenschließen

Die Europaparlamentarier hoffen, dass sich jetzt die pro-europäischen Kräfte hinter Macron versammeln – egal von ob links oder rechts. Markus Ferber fordert nun im Endspurt auch größeren Einsatz des Amtsinhabers: „Le Pen hat in den letzten Wochen gekonnt Themen wie beispielsweise die hohen Lebenshaltungskosten angesprochen, für die Macron bisher glaubwürdige Antworten fehlen. Er muss nun ganz schnell ein überzeugendes Konzept entwickeln, mit dem er die Franzosen davon überzeugen kann, dass er mehr ist als der Kandidat der Eliten.“ Jens Geier ist überzeugt, dass vor allem der Linke Jean-Luc Mélenchon seine Zweideutigkeiten beenden sollte. Der Drittplatzierte hat sich bis jetzt zu keiner wirklich eindeutigen Wahlempfehlung für Emmanuel Macron durchgerungen – was in der Stichwahl entscheidend sein könnte. Der SPD-Politiker René Repasi ist überzeugt, dass rechtsextreme Politiker in Zukunft nur verhindert werden können, wenn es auch eine starke und glaubwürdige Alternative auf der Linken gebe. Katarina Barley ist überaus skeptisch, ob die EU nun in Frankreich direkt aktiv werden sollte. „Diese Frage hat sich schon beim Brexit gestellt,“ sagt sie und plädiert eher für die politische Zurückhaltung der Union.