Will im Leichtathletik-Weltverband hoch hinaus: Sergej Bubka. Foto: Getty Images

Die ehemalige Leichtathletik-Stars Sergej Bubka und Sebastian Coe peilen das Präsidentenamt im Weltverband IAAF an. Der ehemalige Stabhochspringer liegt im Rennen um den Posten leicht vorne.

Stuttgart

Sergej Bubka oder Sebastian Coe: Die beiden Leichtathletik-Legenden wollen sich ins höchste Amt ihres Sport wählen lassen, um dann den Weltverband IAAF umzukrempeln. Doch ihre Wahlversprechen sind mit Vorsicht zu genießen. Die Kontrahenten im Vergleich:

Der sportliche Hintergrund: Olympiasieger, ehemalige Weltrekordler, oder kurz: Schwergewichte der Leichtathletik. Sebastian Coe (Großbritannien) und Sergej Bubka (Ukraine) haben als Athleten ihre Disziplinen dominiert. Coe rannte als „weißer Wunderläufer“ über die Mittelstrecken zu zwei Olympiasiegen (1980 und 1984) und acht Weltrekorden. Bubka flog in den 80er und 90er Jahren in neue Sphären. Er stellte 35 Weltrekorde auf, wurde einmal Olympiasieger und sechsmal Weltmeister. Zudem war er der erste Stabhochspringer, der die Sechs-Meter-Marke knackte. „Als ehemalige Athleten und langjährige Repräsentanten des Sports sind sie exquisite Kandidaten“, meint Clemens Prokop, Chef der deutschen Leichtathleten vor der Wahl des Präsidenten des Weltverbandes IAAF an diesem Mittwoch. Amtsinhaber Lamine Diack tritt nicht mehr an.

Die Persönlichkeiten: Staatsmann gegen Arbeiter – Coe (58) und Bubka (51) könnten unterschiedlicher kaum sein. Coe ist smart, gewandt und humorvoll. Nicht erst seit den Olympischen Spielen 2012 in London, deren Cheforganisator er war, ist Coe Everybody’s Darling. Bubka gilt dagegen als sozialer Aufsteiger, als Kämpfer, der auch durch seine kumpelhafte Art punktet. Der Doktor der Pädagogik und Sportwissenschaft, der nach seiner Karriere einige Zeit in Berlin gelebt hat, saß schon im ukrainischen Parlament und soll in der freien Wirtschaft ein Millionenvermögen verdient haben. „Ein Vorteil ist Sebastian Coe aber nicht zu nehmen“, meint Helmut Digel, der das Council der IAAF, nach 20 Jahren verlassen wird: „Englisch ist seine Muttersprache.“ Die Programme: Coe geht mit einem 100-Tage-Plan ins Rennen, Bubka hat seinem Wahlprogramm die Überschrift „Vision 2025“ gegeben. Der Inhalt ihrer Dossiers ist jedoch ähnlich: Die Leichtathletik, die zuletzt häufig mit Doping und Korruption Schlagzeilen produzierte, soll reformiert werden – in fast allen Bereichen. Sowohl Coe als auch Bubka wollen vermehrt wieder junge Leute ansprechen, die nationalen Verbände besser betreuen und finanziell unterstützen. Außerdem sollen die Wettkampfformate überprüft werden, allen voran die der Weltmeisterschaften und der Diamond League. „Unser Produkt ist die Leichtathletik, aber unser Geschäft ist die Unterhaltung“, sagt Coe. Bubka meint: „Wir brauchen eine Diamond League, welche die Medien und die Zuschauer begeistert.“

Priorität hat für beide aber der Kampf gegen Doping. „Ich stehe für null Toleranz und die härtest möglichen Strafen, die uns die bestehenden Gesetze ermöglichen“ sagt Bubka. Er befürwortet eine Zusammenarbeit mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Coe – und das ist der größte Unterschied in ihren Wahlprogrammen – will für die Leichtathletik eine vollkommen unabhängige Anti-Doping-Organisation.

Die Schatten: Der deutsche Diskuswerfer Robert Harting traut den beiden Kandidaten nicht so richtig. „Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, dass beide Vizepräsidenten über Sachen wie Korruptionszahlungen oder Doping-Proben-Freikäufe nie Bescheid gewusst haben. Das kann unmöglich an einem Vizepräsidenten vorbeigegangen sein“, sagt Harting: „Ich weiß aber auch, dass man zumindest den Anschein hegen muss, gleichartig zu sein, um in die Position zu kommen, um Dinge zu verändern.“

Kritisch gesehen wird unter anderem, dass Bubka dem Spitzensportsystem aus Sowjetzeiten entstammt, das von Doping verseucht gewesen ist. Für Misstöne sorgt zudem die Rolle Coes bei seinem Marketingunternehmen CSM. Mit dieser Firma wirkte er unter anderem bei der Vergabe der umstrittenen Europaspiele sowie der Begegnungen der Fußball-EM 2020 in Baku mit. Das Vertrauen als Präsident müssten sich beide erst einmal verdienen.

Die Aussichten: Coe liegt im Rennen um das Präsidenten-Amt leicht in Front. Auch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wird den Briten bei der Wahl unterstützen. „Das hängt mit vielen Faktoren zusammen“, sagt DLV-Präsident Prokop, unter anderem damit, dass „wir bei ihm mehr Reformpotenzial sehen.“ Bubka, der auch als Vizepräsident kandidiert, ist zwar noch nicht aus dem Rennen, allerdings haben ihm viele nicht verziehen, dass er sich bei der Wahl für das Präsidentenamt des Internationalen Olympischen Komitees gegen Thomas Bach gestellt hat. Bei der Wahl 2013 unterlag er gegen den ehemaligen deutschen Fechter deutlich.