Annette Kurschus ist nicht mehr länger Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). (Archivbild) Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, ist nach Vertuschungsvorwürfen von ihrem Amt zurückgetreten. Sie gebe auch ihre Aufgabe als Präses der evangelischen Kirche in Westfalen auf.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, tritt von ihrem Amt zurück. Das teilte die 60-Jährige am Montag in einer persönlichen Erklärung in Bielefeld mit. Zuvor waren gegen sie Vorwürfe erhoben worden, sie habe schon vor vielen Jahren vom Verdacht eines sexuell übergriffigen Verhaltens gegen einen damaligen Kirchenmitarbeiter gewusst.

Auch vom Leitungsamt als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen trat sie zurück. Kommissarisch hat die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs den Ratsvorsitz übernommen; Beobachter sehen in ihr eine aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge von Kurschus.

Hat Annette Kurschus einen Mitarbeiter gedeckt?

Nach Recherchen der „Siegener Zeitung“ soll Kurschus als Gemeindepfarrerin in Siegen schon Ende der 1990er-Jahre über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen einen ihr bekannten Kirchenmitarbeiter informiert gewesen sein, diese aber nicht gemeldet haben. Kurschus wies erneut zurück, sie habe etwas vertuscht: „In der Sache bin ich mit mir im Reinen.“ Sie wünsche sich, sie wäre vor 25 Jahren bereits so geschult und sensibel für Verhaltensmuster gewesen, „die mich heute alarmieren würden. Ich habe damals allein Homosexualität und die eheliche Untreue des Beschuldigten wahrgenommen.“

Mit der Familie des Mannes sei sie lange befreundet gewesen. Nie habe sie aber zu ihm in einem Dienstverhältnis gestanden. Es sei bitter, dass ihr aufrichtiges Bemühen darum, Persönlichkeitsrechte zu schützen, als mangelnde Transparenz kritisiert werde.

EKD-Spitzenfrau wehrt sich gegen Vorwürfe

„Seit mehr als einer Woche wird in der Öffentlichkeit ein Konflikt geschürt“, beklagte Kurschus. Niemals sei es ihr aber darum gegangen, Sachverhalte zu vertuschen oder einen Beschuldigten zu decken. Inzwischen habe sich aber die Debatte um den Vorgang derart zugespitzt, dass sie keine Alternative zum Rücktritt sehe.

Kurschus ist nach Margot Käßmann die zweite Frau an der EKD-Spitze, die ihre leitenden Kirchenämter vorzeitig abgibt. Käßmann trat im Februar 2010 als Ratsvorsitzende und Hannoversche Landesbischöfin zurück, nachdem sie alkoholisiert Auto gefahren und von der Polizei gestoppt worden war.

Zeugen sagen gegen Kurschus aus

Die Zeitung beruft sich auf zwei Zeugen, wonach mit Kurschus vor Jahrzehnten in ihrem Garten über die Vorwürfe gegen den Mann gesprochen worden sei. Beide bekräftigten ihre Aussagen demnach mit Eidesstattlichen Versicherungen. Zudem zitierte das Blatt aus einem Schreiben des Beschuldigten, in dem dieser sich im Nachgang des Gartengesprächs über die Vorwürfe beschwerte und rechtliche Schritte androhte. Der Brief weckt aus Sicht der Zeitung deutliche Zweifel an den Schilderungen von Kurschus.

Kurschus absolvierte nach dem Theologiestudium in Bonn, Marburg, Münster und Wuppertal ihr Vikariat (Vorbereitungsdienst auf den Pfarrerberuf) in Siegen-Eiserfeld, wurde Gemeindepfarrerin in Siegen und 2005 Superintendentin des Reformierten Kirchenkreises Siegen. 2019 bestätigte die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) die Präses mit großer Mehrheit für eine weitere achtjährige Amtszeit. Die EKvW ist mit rund zwei Millionen Mitgliedern die viertgrößte Gliedkirche der EKD, die rund 19,2 Millionen evangelische Christen in Deutschland vertritt.