„Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht„: Um den Satz von Kanzlerin Merkel hat sich der BND wohl wenig geschert. Foto: dpa

Der Auslandsgeheimdienst BND steht weiter in den Schlagzeilen. Er soll auch deutsche Diplomaten und Minister ausgespäht haben. Die Bundesregierung will aufklären - und schweigt ansonsten.

Berlin - Schwere Vorwürfe bringen den Bundesnachrichtendienst BND erneut ins Zwielicht: Nach Informationen des rbb-Inforadios soll der deutsche Auslandsgeheimdienst auch den Diplomaten Hansjörg Haber abgehört haben. Als Deutscher dürfte er aber eigentlich nur mit Genehmigung der G10-Kommission des Bundestages belauscht werden. Auch der französische Außenminister Laurent Fabius soll ausgeforscht worden sein.

Haber war von 2008 bis 2011 Leiter der EU-Beobachtermission in Georgien und leitete danach den Planungsstab des Diplomatischen Dienstes der EU in Brüssel. Zur Zeit ist er als EU-Botschafter in der Türkei. Seine Ehefrau ist Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium.

BND-Chef Schindler genießt Merkels Vertrauen

Die Bundesregierung wolle die Vorwürfe im Kontakt mit dem BND umfassend aufklären, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Mittwoch. Die zuständigen Kontrollgremien des Bundestages würden über alle Erkenntnisse informiert.

„Im Auftragsprofil des BND ist die politische Ausspähung von Partnerstaaten nicht vorgesehen“, sagte Wirtz. Der Satz von Kanzlerin Angela Merkel „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“ gelte nach wie vor. Keinerlei Veranlassung gebe es, über die Zukunft von BND-Chef Gerhard Schindler zu spekulieren. „Herr Schindler genießt das Vertrauen der Bundesregierung“, sagte Wirtz.

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte, in der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen gebe es seit längerem eine Diskussion darüber, die rechtlichen Grundlagen der BND-Arbeit zu reformieren. „Ich gehe davon aus, dass auch solche Vorfälle dabei eine nicht unerhebliche Rolle spielen werden“.

Niemand erwartet, vom BND abgehört zu werden

Für das Auswärtige Amt sagte dessen Sprecher Martin Schäfer, deutsche Diplomaten wüssten, dass sich andere für ihre Tätigkeit interessierten und träfen entsprechende Vorkehrungen. Aber: „Niemand im Auswärtigen Amt würde erwarten, vom BND abgehört zu werden.“ Das AA habe „allergrößtes Vertrauen in die Arbeit von Herrn Haber“.

Auch andere angebliche Spionageziele des BND seien politisch brisant, heißt es in dem Bericht. Dazu gehörten der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, das UN-Kinderhilfswerk Unicef, die Weltgesundheitsorganisation WHO, das FBI sowie zahlreiche europäische und amerikanische Firmen.

Die G10-Kommission, die Geheimdienst-Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis kontrolliert, muss eigentlich die Überwachung einer Person mit deutscher Staatsangehörigkeit erlauben. Nach dpa-Informationen könnten Haber, Fabius sowie andere Institutionen im Zusammenhang mit dem Konzept des „Funktionsträgers“ ins Visier des BND geraten sein. Ein früherer BND-Jurist hatte vor einem Jahr dazu erklärt, wenn etwa ein Deutscher im Ausland als Geschäftsführer für eine ausländische Firma arbeite, gelte für ihn - anders als bei privaten Gesprächen - nicht der übliche Grundrechtsschutz für deutsche Staatsbürger. Dies dürfte auch für bestimmte Funktionen in internationalen Organisationen gelten.

Verstoß gegen geltendes Recht

BND-Präsident Schindler hatte den Einsatz der umstrittenen Selektoren 2013 beendet. Diese Telefonnummern, E-Mail- und IP-Adressen, die auf der nun untersuchten Liste enthalten sind, werden seither nicht mehr eingesetzt. Vor drei Wochen hatten Schindler und das Kanzleramt das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages darüber informiert, dass auch der BND Spionage unter Freunden betrieben hat.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, sagte im rbb-Inforadio, wenn der BND einen deutschen Diplomaten ausgespäht habe, sei das ein Verstoß gegen geltendes Recht. „Ich glaube, um Rücktritte wird man nicht herumkommen“, ergänzte Notz. Die Linke im Bundestag hält eine Überwachung deutscher Diplomaten durch den BND für unzulässig. „Es ist nicht Aufgabe des BND, deutsche Diplomaten auszuspionieren“, sagte André Hahn, der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste.