Wer hat den iranischen Fahrer des Fracking-Unternehmens auf dem Gewissen? Torsten Falke (Wotan Wilke Möhring, zweiter von li.) und Julia Grosz (Franziska Weisz, re.) sind zum ersten Mal ein richtiges Team. Foto: NDR

Militante Öko-Aktivisten, Dorfbewohner, die Zombies gleichen, ein Polizistensohn, der irgendwas mit Drogen macht: „Böser Boden“, der neue „Tatort“ mit Wotan Wilke Möhring, ist eine unausgegorene Mixtur.

Hamburg - Genre-Experimente sind beim „Tatort“ en vogue. Der Geisterhaus-Grusel, den der Frankfurt-Krimi „Fürchte dich“ vor vier Wochen verbreitete, sitzt einem noch in den Knochen, da schickt der NDR in „Böser Boden“ die Zombies los. „Zombie“ heißt schon mal der Cranberries-Song, den Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) auf der Reeperbahn im Auto hört, als er zu einer Leiche in die niedersächsische Provinz gerufen wird: Der iranische Einwanderer Arash Naderi (Hadi Khanjanpour) wurde fast tot geprügelt, dann mit einer Plastiktüte erstickt.

Fremdenfeindliche Motive? Wohl eher nicht, der Mord muss etwas mit Naderis Job zu tun haben – er transportierte für ein Fracking-Unternehmen hochgiftige Stoffe, die bei der umstrittenen Gasfördermethode anfallen. Naderis Neffe Younes (Zoran Pingel) zeigt Falke und seiner neuen Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) ein Handyvideo, das dokumentiert, wie Ökobauer Kielsperg, Rädelsführer der Fracking-Gegner (Rainer Furch), gegenüber dem Opfer handgreiflich wurde.

Ein Umweltkrieg? Die Dorfbewohner geben den Ermittlern Rätsel auf: Elends-Gestalten mit fahlen Gesichtern, Hautausschlägen, stumpfem Haar, gefühlslos, zunehmend aggressiv. Wie Untote rotten sie sich zu einer Meute zusammen, treiben in einem Supermarkt die Familie von Naderis Bruder Hamed in die Enge; sogar die Kinder erweisen sich als bissige Biester. Und ungesund, verrottet, tot erscheint auch der See, der Wald, das morastige Land.

Das Böse schlummert im Boden

Grosz erkennt schnell: „Die Leute sind befallen“; der Pragmatiker Falke bedient lieber ein abgedroschenes Öko-Klischee: „Wenn man sein Leben lang nur Hirse frisst, dann sieht man halt so aus.“ Doch so, wie die Regisseurin Sabine Bernardi und ihr Kameramann den Krimi optisch und atmosphärisch mit Elementen des Zombi-Genres durchsetzen, ist klar: Das Böse schlummert im Boden, im Brunnenwasser, vergiftet den Körper – und die Angst davor frisst auch die Seele auf. Immerhin: Die Antwort, wer hier die Guten, wer die Bösen sind, bleiben die Autoren Georg Lippert und Marvin Kren schuldig, sie lassen die Frontlinien so schmierig aussehen wie den matschigen Ackerboden.

Zum stilechten Schauermärchen wie „Fürchte dich“ aber taugt „Böser Boden“ nicht, denn der typische „Tatort“-Realismus gewinnt hier die Oberhand, leidige Pro- und Contra-Abhandlungen zum Fracking inklusive. Der halbherzige Mix geht stark zu Lasten der Plausibilität, lässt vor allem das spätere Opfer gegen jede Raison handeln – und dürfte beim Zuschauen ähnliche Husten- und Röchelanfälle auslösen, wie sie der irre Waldschrat erleidet, den Falke und Grosz im Unterholz aufscheuchen.

Der Stringenz ebenfalls abträglich: der Nebenschauplatz, der mit Falkes Vater-Sohn-Geschichte aufgemacht wird. Weil Torben irgendwie in der Hamburger Drogenszene abhängt, muss der Erziehungsberechtigte ran; einmal haut Falke einfach ab, ohne seiner gnadenlos rationalen Kollegin Bescheid zu sagen – er landet in einem Clubkonzert: „Oft gefragt“ trällert die gut bekannte Kölner Band AnnenMayKantereit. Ein bisschen Pop-PR – auch das noch.