Charles will sich nahbarer geben als seine Mutter. Foto: dpa/Yui Mok

An diesem Samstag wird Charles in aller Form zum König gekrönt. Wie hat er es geschafft, eine sage und schreibe siebzigjährige Wartezeit zu bewältigen? Und wie geht er mit seiner neuen Rolle um?

Wenn die Krönung ansteht, am 6. Mai in Westminster Abbey, könnte es sein, dass der König einen nervösen Blick auf die ihm zugedachte Krone wirft, gleich zu Beginn der Feierlichkeiten. Womöglich wird sich Charles III. für den Bruchteil einer Sekunde an einen Vorfall erinnern, bei dem nicht alles so lief, wie es geplant worden war.

Als im Sommer 1968 nämlich dem damals 20-jährigen Charles im walisischen Caernarfon von seiner Mutter der Titel eines Prinzen von Wales verliehen werden sollte, rutschte ihm bei der Generalprobe die dazugehörige Krone über Nase und Ohren. Sie war zu groß.

Die Queen musste sich das Lachen verbeißen

„Wie unter einem Kerzenlöscher“ sei Charles’ Kopf damals verschwunden, berichteten, die dabei waren, anschließend halb amüsiert und halb erschrocken. Dem Schauspieler und Dramaturgen Noel Coward soll die Königin später einmal anvertraut haben, dass sie sich „das Lachen verbeißen musste“. Charles fand die Sache wohl nicht ganz so lustig damals.

In den vergangenen Wochen ist zweifellos dafür gesorgt worden, dass die Krone diesmal nicht rutscht. Aber passt sie auch, fragen sich viele Briten, im weiteren Sinn des Wortes? Ist Elizabeths ältester Sohn und Erbe in der Lage, die Verantwortung für das bedeutendste Königshaus der Welt zu übernehmen?

Zweifel daran sind ja immer wieder geäußert worden. Das Problem beginnt damit, dass Charles sich nie sonderlich großer Popularität erfreute. Selbst seinen Eltern ist er etwas „schwierig“, unsicher und melancholisch, vorgekommen – mit einer Neigung zum Jähzorn.

Den Gleichmut seiner Mutter hat er nie gehabt. Er selbst hat gelegentlich gestanden, dass er sich permanent unter Druck fand, weil er vergebens „eine Rolle“ für sich suchte. Seine katastrophale erste Ehe, das „Diana-Debakel“, hat ihn weitere Sympathien gekostet.

Ein Diener drückte ihm die Zahnpasta auf die Zahnbürste

Generell bekannt war Charles als introvertiert, als milder Exzentriker, auch als ein an beispiellosen Luxus gewöhnter Mensch: Berichte, denen zufolge ein Kammerdiener Charles’ Zahnpasta aus der Tube auf seine Zahnbürste zu drücken hat, von Berufs wegen, haben zu ungläubigem Gelächter im ganzen Land geführt.

Andere seiner Landsleute sind zu einem freundlicheren Urteil über Charles gekommen. Sie finden beachtlich, dass er schon früh als Prinz über grüne Themen nachdachte: Viele Jahrzehnte bevor der Rest des Landes sich damit zu beschäftigen begann und in einer Zeit, „in der man mich deswegen noch für einen kompletten Idioten hielt“.

Weniger spröde als Elizabeth II. will er sich geben

In jüngster Zeit hat Charles viele seiner Landsleute beeindruckt durch seine Ernsthaftigkeit und eine betonte Neutralität auf der politischen Bühne – und durch überraschende Kontaktfreudigkeit auf den Straßen, eine neue Form lockeren Umgangs mit dem Amt. Weniger spröde als Elizabeth II. will er sich geben.

Teil dieser Strategie ist es offensichtlich, Charles einer Jugend nahezubringen, der der 74-Jährige denkbar fernsteht. Auch für die Windsors ist es kein Geheimnis, dass unter jungen Briten das Interesse an der Monarchie rapide schwindet.

Drei Jahre war Charles Philip Arthur George alt, als seine damals 25-jährige Mutter 1952 den Thron bestieg, und vier Jahre, als er von einem Balkon in der Westminster Abbey aus zuschaute, wie man ihr die Krone aufsetzte. Siebzig Jahre sind seit damals vergangen. So lange war Charles „der Erste“ in der Thronfolge, ohne je zum Zug zu kommen – immer in der zweiten Reihe, überschattet von Ihrer Majestät, der Queen.

Einfach waren seine frühen Jahre nicht. Die Mutter, mit wichtigeren Dingen beschäftigt, hatte wenig Zeit für ihre Kinder. Über das Gute-Nacht-Sagen und gelegentliche Fototermine ging das Ganze offenbar selten hinaus.

Verhängnisvolle Heirat mit einer gewissen Diana Spencer

Das Internat Gordonstoun in Schottland, das Vater Philip so erfrischend harsch gefunden hatte mit seinen kalten Duschen und seinem spartanischen Ethos, kam Charles vor wie „die Hölle auf Erden“. Dass er dort von Altersgenossen schikaniert wurde, weil er als „empfindsam“ galt, ging ihm lange nach.

Später folgten ein paar Jahre Studium in Cambridge, eine kurze Zeit in der Kriegsmarine, viel Polospielen daheim, die Brautschau der 70er Jahre. Sprich: diverse Liebeleien mit Oberschichtstöchtern, unter denen sich auch Camilla befand. Und danach die verhängnisvolle Heirat mit einer gewissen Diana Spencer. Die Ehe, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

Er heiratet seine alte Flamme Camilla

Wie eine unaufhaltsame Tragödie entwickelte sich das Drama jener 80er und 90er Jahre auf den Bildschirmen und in den Boulevardzeitungen Großbritanniens. Erst die Scheidung und später der Unfalltod Dianas setzten dem „War of the Waleses“, dem Krieg zwischen dem Prinzen und der Prinzessin von Wales, ein Ende.

Nach Dianas Tod aber dauerte es noch einmal acht Jahre, bis Charles mit Zustimmung von oben seine „alte Flamme“ Camilla heiraten durfte. Das Jahr 2005 markierte den Beginn einer für den Prinzen besseren Zeit.

Viel Neugierde hat stets geweckt, wie sich Charles beim Warten auf den Thron über die Jahre zu „profilieren“ suchte. Nachdem er sich schon früh Spott ausgeliefert hatte mit seinem Bekenntnis, dass er gern mit Pflanzen sprach, rührte er später mit Verdikten zu Naturheilmitteln, zu moderner Architektur und zu anderem Unruhe auf.

„Nur ein Grüß-August, nur pure Repräsentationsfigur“ werde Charles kaum sein wollen, hat seine Biografin Catherine Mayer einmal gesagt. Während seine Mutter sich immer nach Kräften bemühte, ihre Meinung für sich zu behalten, sind seinen Mitbürgern Dutzende leidenschaftlicher Überzeugungen des Königs vertraut.

Eie geht er mit Harry um?

Unvergessen geblieben ist, wie Prinz Charles einmal im Gespräch mit einer Holocaust-Überlebenden Wladimir Putin in die Nähe Adolf Hitlers rückte. Das führte fast zu diplomatischen Verwicklungen. Der Kreml war empört. Oder wie er anlässlich des Wahlsiegs von Donald Trump 2016 den Aufstieg „so vieler populistischer Gruppen in der Welt“ beklagte, die „zunehmend aggressiv“ seien – „ein verstörendes Echo der dunklen Tage der 30er Jahre“.

Was seinen rebellisch gewordenen Sohn Harry angeht, hat er sich im Übrigen vorsichtig zurückgehalten und sich bisher nicht zu zornigen Worten verleiten lassen. Dabei hatte Harry ja die „Startphase“ des neuen Königs in den letzten Monaten mit seinen Manövern ganz schön sabotiert.

Charles muss die Monarchie absichern

Wie sich dieser familiäre Zwist in absehbarer Zeit beenden lassen soll, ist schwer zu sehen. Die Klüfte in der Königsfamilie gehen tief. Daneben hat Charles offenkundig Probleme, auch die „weitere Familie“ der 14 Nationen zusammenzuhalten, deren König er ist: Von den Karibischen Inseln bis nach Australien wächst der Widerstand gegen ein Staatsoberhaupt „so weit weg, in London“ – oder gegen das Prinzip der Monarchie überhaupt. Auch Fragen zur historischen Verantwortung der Krone für Sklaverei und Sklavenhandel harren noch einer Antwort von höchster Warte. Charles hat signalisiert, dass er sich damit beschäftigen will.

An Arbeit wird es ihm jedenfalls nicht fehlen, wenn erst einmal das Krönungsgeläut verklungen ist und die Kronen nach den Feierlichkeiten weggepackt werden. Immerhin weiß der neue König, dass die Absicherung der Monarchie – nach siebzig Jahren Wartezeit – nun seine große Aufgabe ist.